Donnerstag, 12. Dezember 2013

Martin Meyer: Zeitungszukunft

"Durchschlagskraft" bedarf somit eines Rahmens; einer Gestalt, die Evidenz beglaubigt, indem als Instanz das gedruckte Medium auftritt und als solches anerkannt ist. Instanz wiederum bedarf zu ihrer Anerkennung gerade nicht einfach der aus öffentlichen Mitteln gespeisten Subvention. Denn Glaubwürdigkeit ist beschädigt, wenn im Hintergrund das staatliche Über-Ich die Fäden ziehen könnte. Glaubwürdigkeit wiederum bindet sich an Autorität. Urteilskraft, Sachverstand, Begründungsmacht und weitere Attribute aus dem Fundus einer mit Tradition verbundenen Leistung wirken dabei mit am gesellschaftlich Allgemeinen. Dieses ist seinerseits abhängig von politisch-rechtlich verfasster Ordnung.

Hinzu kommt Technisches. Denn gegen die virtuellen Unendlichkeiten des Webs und seiner Links organisiert die gedruckte Zeitung auf begrenzter Fläche und für abgeschlossene "Zeit" eine Wahl, die als Regie der Meinungsmacher akzeptiert wird: Der Leser entlastet sich wohltätig von den Zwängen, fortlaufend weiteren Optionen nachzuklicken. Selektion und Reflexion, der Umgang mit Begriffen und Ideen, Korrekturen und Refuktionen gegenüber den Social Media und ihrem Dauergewitter - das alles wird hier bedacht und ins Recht gesetzt. Dürfen wir ergo eine "Doppelstruktur" von Print und digitalen Medien erwarten? Es wäre jedenfalls zu wünschen. Oder mit den Autoren gesprochen: "Tatsächlich erwächst die größte Zukunftschance der bedruckten Zeitung aus der Konsequenz, mit der sie dem Überfluss von Optionen im Netz die Verknappung der Optionen im Print gegenüberstellt, redaktionell wie technologisch." - Warten wir's ab.

(Aus: Neue Zürcher Zeitung, 10. Dezember 2013, Nr. 287, S. 19)

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

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