Montag, 16. Dezember 2013

Thomas Barth: Beginn der politischen Demenz bei der Tageszeitung "junge welt"?


M.Zander referiert nahezu unreflektiert Ergebnisse einer Studie der Bertelsmann Stiftung (BtmSt), die sich im linken Gewand präsentiert und mangelnde Wahlbeteiligung von Arbeitslosen und Verelendeten diagnostiziert (ihr Lösungsvorschlag "Wahlpflicht" ist wohl kaum ernst gemeint). Bis auf ein paar Nebenbemerkungen und zwei kauminformierte, lauwarm-kritische  Schlußsätze bleibt die jW bemerkenswert folgsam im Referieren der Ergebnisse. Der Leser erfährt ganz zum Schluss nur lapidar, dass Bertelsmann doch "für die Privatisierung öffentlichen Eigentums und die Schleifung sozialer Sicherheiten, also für die Verschärfung der gesellschaftlichen Gegensätze" gearbeitet hat. Wenn dies alles ist, was bei linken Publizisten noch von den Anti-Btm-Protesten erinnert wird, grenzt es an politische Demenz.
Die maßgebliche Federführung der BtmSt für Bildungsprivatisierung, -abbau und verflachung etc., und insbesondere für Harzt IV erwähnt Zander ebensowenig wie die mediale Macht des Konzerns: RTL als Leitmedium der verelendeten und dortselbst ausgestellten und verhöhnten "Unterschichten". Wer einen Vormittag RTL guckt, wudnert sich nicht, dass die dort Sozialisierten inzwischen schon der 2.Generation völlig entpolitisiert sind.

Kritik an


wäre sicher nicht verfehlt.

jW, 14.12.2013 / Inland / Seite 5
Exklusive Demokratie
Bertelsmann-Stiftung diagnostiziert »soziale Spaltung der Wählerschaft« bei der Bundestagswahl im September. Autoren schlagen unter anderem Plicht zur Teilnahme vor. Von Michael Zander
Je prekärer die lokalen Lebensverhältnisse, desto weniger Menschen gehen wählen. Dies ist das Ergebnis einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Bundestagswahl 2013. Die Autoren Armin Schäfer, Robert Vehrkamp und Jérémie Felix Gagné untersuchten Daten aus 1644 Stadtteilen und ländlichen Stimmbezirken. Die Wahlbeteiligung, so ihr Befund, fällt dort gering aus, wo die Erwerbslosenquote hoch ist und Menschen über wenig Kaufkraft sowie relativ niedrige Bildungsabschlüsse verfügen.
In »Nichtwählerhochburgen« wie Köln-Chorweiler, Leipzig-Volkmarsdorf oder Bremen-Tenever liegt der Erwerbslosenanteil bei rund 20 Prozent, umgekehrt sind in Quartieren mit 90 Prozent Wahlbeteiligung – etwa Köln-Hahnwald oder Hamburg-Nienstedten – weniger als drei Prozent der Stimmberechtigten ohne Arbeit. Dieser Trend zeigt sich bundesweit in allen Untersuchungsgebieten. Der Zusammenhang zwischen Kaufkraft und Wahlverhalten läßt sich sogar im Vergleich zwischen relativ wohlhabenden und reichen Vierteln nachweisen. Das Bildungsniveau spielt eine Rolle, fällt aber gegenüber anderen Faktoren weniger ins Gewicht. Die Variable »Geschlecht« wurde nicht berücksichtigt.
Insgesamt lag 2013 die Wahlbeteiligung bei nur 71,5 Prozent, dies ist der zweitniedrigste Wert seit Gründung der Bundesrepublik. Rund 17 Millionen Bürger gingen nicht zur Wahl. »Hinter der zunehmenden Ungleichheit der Wahlbeteiligung verbirgt sich eine soziale Spaltung der Wählerschaft«, heißt es in der Studie. »Die Demokratie wird zu einer immer exklusiveren Veranstaltung für Menschen aus den mittleren und oberen Sozialmilieus, während die sozial prekären Milieus deutlich unterrepräsentiert bleiben.«
Die Zahlen sagen allerdings nichts über die subjektiven Gründe für die Wahlenthaltung. In der Bertelsmann-Publikation Einwurf (1/2013) schreiben Vehrkamp und sein Koautor Dominik Hierlemann, ein »Wertewandel« habe dazu geführt, daß auf soziale Ungleichheit nicht mit Protest, sondern mit Apathie reagiert werde. Dabei verlieren sie kein Wort über die Rolle der jeweils regierenden Parteien, die ihre Politik als »alternativlos« darstellen und so Wahlberechtigte systematisch entmutigen. In Umfragen der Friedrich-Ebert- und der Konrad-Adenauer-Stiftung während der letzten Jahre gaben viele Befragte als Motiv für Enthaltung an, durch ein Votum keinen nennenswerten Einfluß auf die Politik nehmen zu können.
Schäfer, Vehrkamp und Gagné möchten mit ihrer Studie eine Diskussion über Gegenmaßnahmen anregen. Sie erwägen eine »gesetzliche Wahlpflicht«, eine »veränderte Berichterstattung über Politik« durch die Medien, »direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung« sowie eine stärkere Rolle der Schulen bei der »Demokratieerziehung«. Auf die eigentlich naheliegende Idee, daß eine politische Kraft notwendig sei, die soziale Ungleichheit beseitigen oder wenigstens verringern könnte, kommen sie nicht. Das ist insofern konsequent, als die einflußreiche Stiftung selbst sich in den vergangenen Jahrzehnten für die Privatisierung öffentlichen Eigentums und die Schleifung sozialer Sicherheiten, also für die Verschärfung der gesellschaftlichen Gegensätze stark gemacht hat.



Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

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