Die Piraten
Diese Protestformation zog nach Berlin, Saarbrücken und Kiel nun auch in den Düsseldorfer Landtag ein.
Ihren Stimmenanteil von fast 609 000 Stimmen holten sie von überall: Sie gewannen Stimmen aus allen Lagern – 90.000 von der SPD, je 80.000 von den Grünen und der Linkspartei, 70.000 von Nichtwählern, 60.000 von der CDU und 40.000 von der FDP. Sie bilden eine klassische Protestformation: nur 30% ihrer Wähler wählten sie wegen ihrer Inhalte, aber über 66% erklären, dass sie Piraten wählen, weil sie den etablierten Parteibetrieb generell ablehnen und am liebsten abschaffen möchten..Sie fühlen sich von den Parteien verraten.
Im Gegensatz zur Zeichnung des medialen Bildes ist festzuhalten: Den höchsten Zuspruch bekommen diese Protestler von formal weniger gebildeten Bevölkerungsschichten und haben ihre höchsten %-anteile unter Arbeitslosen und Arbeitern!
Bei den Arbeitslosen, die noch 2010 in NRW zu über 24% die Linke gewählt hatten, haben diese heute nur noch 11% , aber 18% dieser Gruppe gaben ihre Stimme den Piraten.
Insgesamt hat also die Unzufriedenheit unter Erwerbslosen noch erheblich zugenommen und wenn man Piraten und Linke zusammenzählt, kommen die Proteststimmen in diesem Wähler -Segment fast an den SPD Anteil von 32% heran. Im Gegensatz zum gezeichneten Medienbild sind die Piraten nicht in erster Linie eine großstädtische Protestpartei, worauf die Wahlerfolge in Schleswig- Holstein verweisen.
In N R W hatten sie ihre größten Erfolge in den mittleren Zentren. (Neuss/Siegen Wittgenstein/Brilon im Hochsauerland) Sie repräsentieren einen rebellionsbereiten Klassenteil, der keinerlei Bindung an irgendeine Form der Arbeiterbewegung mehr kennt. Dieser Umstand kann zukünftig bei weiteren Radikalisierungsprozessen in diesem Wählersegment durchaus eine Rechtsentwicklung bewirken. Ich denke, dass der fatale Rückzug des DGB´s aus der Fläche und die Konzentration auf die Großbetriebe als ein Aspekt bei der Analyse berücksichtigt werden muss.
Ganz im Gegensatz zur Linken und teilweise den Grünen, waren die Piraten bei jeder Protestwelle dabei und steigerten ihre Teilnahme von mal zu mal (S.21 – Bundestrojaner -Fukushima –- Fluglärm – Acta - )
Ihre aktuelle Anziehungskraft gewinnen sie derzeit auch durch die innere Verfasstheit, z.B. im durch starke Mitgliederbeteiligung bei der Kandidatenauswahl. Gäbe es das "Kandidatengrillen" bei der Linkspartei, wären nach meiner Schätzung mindestens ein Drittel ihrer Repräsentanten nicht dorthin gekommen, wo sie nun sitzen. Ausserdem haben die Piraten überwiegend ehrenamtliche Vorstandsmitglieder, die ansonsten ihrem normalen Beruf nachgehen.
Sozial repräsentieren die 30 Vorstandsmitglieder in NRW das untere Einkommensdrittel der arbeitenden Bevölkerung. Vom Busfahrer, Trucker und der Verkäuferin bis zum Fotohändler und IT-freak ist dort die "arbeitende Klasse" viel genuiner präsent, als bei der Linkspartei. Man könnte sie als einen naiven unpolitischen Ausdruck von Klassenteilen kennzeichnen, die sich vom derzeitigen System abwenden, ohne in den Nichtwählerbereich zu wechseln. Natürlich wird das so nicht bleiben und die Differenzierung in dieser Formation wird sehr rasch einsetzen.
In ihrem Funktionärskörper finden sich in NRW langjährige Mandatsträger/innen der Grünen, Gründungsmitglieder der WASG sowie langjährige Antifa-Aktivisten. Damit besteht die auf 3000 angewachsene Mitgliederzahl keineswegs nur aus „unerfahrenen Leuten“.
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