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Donnerstag, 7. Februar 2013

Oskar Negt: Plädoyer für ein gerechtes Gemeinwesen Europa - Essay

Diese Verdrehungen und Mystifizierungen einer Realität, die nur noch schwer fassbar ist und der begrifflichen Fixierung häufig entgleitet, funktionieren nur in einem Marktgeschehen, das auf die Zerstörung von Bindungen setzt. Es ist eben einfacher, ganze Belegschaften, die alle Bindungen verloren haben, aus Renditegründen in die Wüste zu schicken, als mit Menschen zurechtzukommen, die fest gebunden sind an die Stätten ihres Arbeits- und Lebenszusammenhangs. Zerstörte Bindungen führen dazu, dass sich die Gewaltpotenziale in der Gesellschaft vergrößern. Menschen, die im Inneren und im Äußeren keine gesicherte Identität mehr haben, denen die Erfahrung einer klaren Ortsbestimmtheit fehlt, also ein Ort, an den sie zwanglos zurückkehren können, wo sie fest verankert, wo sie verwurzelt sind – diese Menschen sind manipulierbar und korruptionsanfällig. So wirkt sich das Grundmuster der Zerstörungen von Bindungen, das dem Leitbild einer betriebswirtschaftlichen Ökonomie folgt, auf die Geistesverfassung einer ganzen Gesellschaft und die komplexen Reaktionen der Menschen aus. Man sollte diese Angst, enteignet und herumgestoßen zu werden, nicht als Einzelfall bagatellisieren; rechtsradikale Bewegungen in allen europäischen Ländern sind dabei, den Angstrohstoff, der durch Erweiterung des sozialdarwinistischen Überlebens beständig größer wird, für antidemokratische und menschenverachtende Zwecke zu verarbeiten.

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

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