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Dienstag, 30. April 2013

jasminrevolution.wordpress.com: Madrid und Barzelona: Im Fußball hopp - Proteste topp!

Während deutsche Fußballfans vor Stolz kaum laufen können, außer beim Blick auf FC Bayerns entthronten Säulenheiligen Uli Hoeneß, geht es Madrid und Barzelona nicht nur auf dem Sportplatz mies. Brutale Sparprogramme unter Anleitung aus Berlin und Brüssel machen die Gesellschaft jeden Tag ärmer, ohne Chance, sich “aus der Krise heraus zu sparen”. Die Pleite auf dem Rasen verblasst gegen die Pleite der neoliberalen Politik des Rechtspopulisten Rajoy, aber die Spanier üben vorbildlich Protest. Sie lassen sich nichts vormachen und fordern von der Politik, endlich Verantwortung zu übernehmen. Die von der Finanzmafia global inszenierte Bankenkrise, die Milliarden aus den Staatskassen in die Banken umverteilte, wird als Auslöser inzwischen von den Medien totgeschwiegen. Man paukt die Parole von den faulen Völkern, die “über ihre Verhältnisse gelebt” haben sollen in alle Köpfe, sogar die dreiste Lüge, Spanier seien reicher als Deutsche, wird jede Woche neu aus dem Hut gezaubert. Ziel: Reiche reicher, Arme ärmer machen (in Spanien und Deutschland!). Ohne Rücksicht auf Menschenrechte wird die Finanzmacht durchgedrückt. Doch der Widerstand dagegen wird stärker, besonders in Spanien.

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

Samstag, 27. April 2013

Steffen Roski: Die hässliche Fratze des Sports

Dass derzeit Fußball im Fokus der Aufmerksamkeit steht, verwundert angesichts der Champions-League-Auseinandersetzungen mit den spanischen Teams aus Madrid und Barcelona nicht. Sporthistorisch und sportsoziologisch ist die These des Zusammenhangs von Fußball, Gesellschaft und Politik nichts Neues. Und tatsächlich wird ein solcher Zusammenhang erneut offenbar. Auch der Sport ist Bestandteil des globalisierten Kapitalismus. Insbesondere der Fußball erfüllt zudem eine nicht unerhebliche Ablenkungsfunktion. Massenhandeln wird hier in eine Sphäre der Emotionalität kanalisiert und somit dem Raum der gesellschaftlich-politischen Zentralwidersprüche entzogen. Doch bleibt der Fußball nicht unberührt von der Finanzialisierung der globalen Wirtschaft. In ihm und mit ihm wird global Wertschöpfung betrieben, es gehen Summen umher, die einen immer irrationaleren Charakter annehmen.

Der FC Bayern München hat sich seither als ein deutscher Vorzeigeclub geriert. Hier werde nachhaltig gewirtschaftet, der ehrliche Kaufmann sei in Bayern beheimatet, technisch brillanter Sport gehe in München eine Sythese mit effektiver Betriebsführung ein. Dass dies vom Grundsatz her schon nichts anderes als ein Lügengebilde darstellt, kann ermessen, wer ökonomische Zusammenhänge im glibalisierten Kapitalismus studiert. In einem Akkumulationsregime, in dem Kapital eine fiktive Buchungsoperation ist, stellen Bekundungen einer „Unternehmensethik” entweder Naivität oder ein strategisches Ablenkungsmanöver dar.

Es verwundert daher nicht, dass das Lügengebäude des bayerischen Vorzeigevereins zusammenbricht. Ein geldgieriger Präsident Uli Hoeneß, ein Aufsichtsrats-Chef Karl-Heinz Rummenigge, der Luxus-Uhren, die er laut Presseberichten im arabischen Repressions- und Folterstaat Katar erworben hat, am deutschen Zoll vorbei geschmuggelt hat, Großkonzerne wie Audi und die Telekom, die Anteile am FC Bayern besitzen, Spielertransaktionen, die auf unsaubere Weise getätigt werden - dies ergibt das Gesamtbild eines Clubs, dessen Antlitz die hässliche Fratze des globalen Kapitalismus darstellt. Der FC Bayern hat mit den 99 Prozent nichts, mit dem einen Prozent der Superreichen und Raffges dagegen sehr viel zu tun. Occupy FC Bayern!

Dienstag, 23. April 2013

Mario zu den Millionarios

Ja, der FC Bayern ist schon ein bemerkenswerter Verein. Ihm steht ein Präsident vor, der weiß, wie man Millionen am Finanzamt vorbei jongliert, ein Finanzhazardeur erster Güte eben. Nun kauft dieser Club für rund 40 Millionen Götze vom BVB los und ist sich nicht zu schade, dies kurz vor dem Halbfinal-Spiel gegen Real Madrid durchsickern zu lassen, um den Dortmundern doppelt zu schaden. Ich hoffe, Jürgen Klopp wird auf diesen Affront aggressiv im Mourinho-Style reagieren und dem Weichspül Pep die Leviten lesen. Dem FCB kann ich nun gar nichts mehr abgewinnen und werde Barça die Daumen drücken.

Max Ruppert: Journalisten im Netz - Anonyme Schwärme und andere Herausforderungen

Trotzdem steigt die gesellschaftliche Transparenz durch Internetplattformen wie Guttenplag erheblich. Matt Carlson sieht durch die gesteigerte Transparenz im Netz die alte, eingespielte Praxis des Umgangs mit anonymen Quellen im Stile von "Deep Throat" unter erheblichem Veränderungsdruck. Die journalistische Praxis der ungenannten Quelle wird im freien Netz durch die Nutzer immer weniger akzeptiert. Auch Journalisten-Legende Woodward gerät heute zunehmend in die Kritik, weil immer mehr Details ans Licht kommen, die zeigen, dass er die black box wohl auch dazu verwendete, um Details wegzulassen oder Situationen zu sehr auszuschmücken.[19] Dennoch ist die Transparenz von Informationen und journalistischen Rechercheprozessen nicht immer produktiv im Sinne einer gesellschaftlichen Transparenz. Bei investigativen Recherchen kann die transparente Darstellung auf einer Crowdsourcing-Plattform auch schaden: Wenn diejenigen, die etwas zu verbergen haben, frühzeitig von den Recherchen erfahren, können sie gegensteuern, einschüchtern, die Recherche behindern. Ob Journalisten Anonymität gewähren, müssen sie deshalb immer wieder anhand von journalistischen, ethischen und juristischen Kriterien überprüfen.

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Matthias M. Becker: Sousveillance - Wie umgehen mit der Bilderflut?

s ist eine Art Herdenverhalten der Internetnutzer, das solche Bilderfluten in Gang setzt. Die Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Noelle-Neumann bezeichnete mit dem Ausdruck "Schweigespirale" ein ähnliches Phänomen in der medialen Kommunikation: Sie argumentierte, Menschen neigten grundsätzlich dazu, sich der Meinung anzuschließen, die sie für die Mehrheitsmeinung halten. Folglich werde die Meinung der Minderheit weniger geäußert, weshalb sie weniger geteilt werde, weshalb sie weniger geäußert werde, und so weiter. Empörungskaskaden im Netz ähneln auf den ersten Blick dieser Dynamik, wenn auch in die entgegengesetzten Richtung: Was viele empört, empört noch mehr. Sich der aufwallenden Empörung eines shitstorms anzuschließen, ist simpel und ohne Aufwand möglich. Gleichzeitig trägt jede und jeder dazu bei, die Aufmerksamkeitslawine weiter wachsen zu lassen. Ob oder wie stark mediale Eskalationseffekte wie die "Schweigespirale" tatsächlich Einstellungen verändern (wovon Elisabeth Noelle-Neumann überzeugt war), ist aber bis heute umstritten. Sicher ist, dass sie das mediale agenda setting beeinflussen, die Auswahl der Themen, die öffentlich repräsentiert und also diskutiert werden. Eine Bilderflut wie die oben beschriebene bestimmt also möglicherweise nicht, was die Rezipienten denken, sicher aber, was sie zu sehen bekommen.

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Sarah Mönkeberg: Das Web als Spiegel und Bühne - Selbstdarstellung im Internet

Dass sich die Notwendigkeit zur Inszenierung des Selbst im Social Web schon aufgrund seiner Struktur verschärft, ist der Organisation über das Prinzip der Nutzerpartizipation geschuldet. Denn das Web 2.0 zeichnet sich zwar durch interaktiven Gebrauch aus, allerdings fehlt dort, im Gegensatz zur direkten Interaktion, die körperliche Anwesenheit der Akteure. Mit anderen Worten: Wir sehen nicht direkt, mit wem wir es zu tun haben und auch nicht, wie sie oder er sich gerade fühlt. "Raum und Körper müssen (…) textuell erschaffen und darüber hinaus auch theatral glaubhaft gemacht werden."[25] Theatrales Handeln ist also "an der Lösung der medientechnisch aufgeworfenen Probleme beteiligt",[26] denn über die Selbstinszenierungen in Online-Interaktionen wird der Mangel an Informationen, der in der direkten Begegnung zum Beispiel über Gestik und Mimik abrufbar wäre, kompensiert. "Der Körper ist das Thema und der Ort, an dem die Selbstbefragung in äußere Sichtbarkeit umschlägt. Je wichtiger visuelle Medien werden, desto wichtiger wird auch die Sichtbarkeit des eigenen Selbst. Die Selbstbefragung muss präsentiert werden, und damit wandert der Ort des Selbst vom Inneren auf die Körperoberfläche."[27] Dem Aufenthalt im Web 2.0 wohnt also ein Theatralisierungszwang inne: Man muss klar machen, wer man ist, um überhaupt als dieser ansprechbar zu sein. Die Darstellung des Selbst über die Hinzunahme von Bildern, ausführliches Kommentieren und Bilanzieren erscheint in dieser Hinsicht als Teilhabebedingung. Es werden Sicherheit oder Vertrauen erzeugt. Indem eingeschränkt wird, mit wem man es zu tun hat, lässt sich im besten Fall wissen, was von ihr oder ihm zu erwarten und wie sie oder er anzusprechen ist.

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Jens Crueger: Privatheit und Öffentlichkeit im digitalen Raum - Konflikt um die Reichweite sozialer Normen - Essay

Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen und laden zu einer Diskursanalyse ein. Eine bestimmte Tendenz in der öffentlichen Wahrnehmung wird jedoch bereits anhand der zitierten Beispiele deutlich: Nicht etwa die Kontrolle durch neugierige Arbeitgeber wird als Problem wahrgenommen, sondern die mit ihren privaten Informationen nachlässigen Beschäftigten. Nicht die Arbeitgeber sollen darauf achten, bei ihren Nachforschungen nicht in den Freizeitbereich der Beschäftigten einzudringen, stattdessen sollen die Beschäftigten auf die Einhaltung jener Verhaltensnormen achten, die mit der professionellen Seriosität ihrer Berufstätigkeit als vereinbar gelten. Hierbei wird implizit auf einen Tugendkatalog rekurriert, der Normvorstellungen aus der Arbeitswelt in die private Lebenswelt der Beschäftigten zu transformieren versucht. Es geht daher im Diskurs um die Zeugnisse privaten Freizeitverhaltens im Internet nicht nur darum, wie Individuen mit den neuen Medien umgehen. Vielmehr findet eine versteckte Tugenddebatte darüber statt, welches private Verhalten in der digitalen Öffentlichkeit als ein Element sozialer Unordnung wahrgenommen, missbilligt und sanktioniert wird.

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Marcel Berlinghoff: Computerisierung und Privatheit – Historische Perspektiven

Ein anschauliches Beispiel der Verknüpfung polizeilicher und ziviler Datenbanken für die Fahndung von Polizei und Geheimdiensten lieferte 1979 die Rasterfahndung. In diesem Jahr glichen Ermittler des BKA die Daten von Stromversorgern in Frankfurt und Hamburg mit Dateien der Einwohner- und Verkehrsmeldeämter, von Renten- und von BAföG-Empfängern ab, da sie davon ausgingen, dass Terroristen die Stromrechnung für konspirative Wohnungen unter falschem Namen in bar beziehungsweise nachträglich beim Vermieter bezahlten. Tatsächlich konnte auf diese Weise Rolf Heißler festgenommen werden, der im Verdacht stand, zwei niederländische Zollbeamte erschossen zu haben. Wenngleich die Ermittler und deren oberster Vorgesetzter darauf bestanden, dass dieser "negative" Abgleich – von einer großen Gruppe wurden schrittweise alle Unverdächtigen abgezogen, bis nur noch ein kleine Zahl zu Überprüfender übrig war – keineswegs die gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht stellte, so blieb in der öffentlichen Diskussion über dieses Ermittlungsinstrument doch der Eindruck hängen, der Staat misstraue seinen Bürgern. Angesichts einer umfassenden Überwachungstätigkeit, die zu Rücktritten zweier Minister führte,[23] nährte umgekehrt der Vertrauensverlust in die öffentlichen Institutionen Befürchtungen, dass es spätestens im Falle eines Umsturzes ein Leichtes sei, einen totalitären Überwachungsstaat zu errichten, wie ihn George Orwell in seinem Roman "1984" beschrieben hatte.

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Patrick A. Kilian: Durchleuchtung ist selektiv - Transparenz und Radiologie

Schon 1990 warnte Jean Baudrillard vor einer "Transparenz des Bösen", durch die der Mensch "seinen Schatten verloren hat: Er ist für das Licht, das ihn durchläuft, transparent geworden, er wird von allen Seiten erhellt, durch alle Lichtquellen gnadenlos überbelichtet".[9] Diese blumige Sprache lässt fast vergessen, dass Baudrillard genau wie Han nicht über Röntgengeräte, sondern über gesellschaftliche Transparenz schrieb. Obwohl beide Autoren die Sprache der Radiologie verwendeten, schienen sie deren eigentliche Logik zu verkennen. Ein Blick in die frühen Schriften der Röntgenwissenschaft vermag jedoch die scheinbare Evidenz einer absoluten Durchleuchtung infrage zu stellen und zeigt, dass Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit untrennbar miteinander verknüpft sind, sich sogar gegenseitig bedingen: Weder die Durchleuchtung durch die Röntgenstrahlung noch ihr metaphorischer Doppelgänger, die Transparenz, können wirklich absolut sein. Möglicherweise bewegt uns der Blick in die frühe Radiologie gar dazu, die gegenwärtigen Diskurse über Transparenz neu und jenseits von Kontroll-Superlativen zu bewerten.

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kinofenster.de: Trommelbauch

Mit Trommelbauch erfährt der niederländische Kinderbuchklassiker von Cornelis Johannes Kieviet seine Modernisierung als farbenfrohe Filmsatire. In stark überspitzter Form werden unterschiedliche Werte, Lebensweisen und Schönheitsideale gegeneinander ausgespielt. Vor dem Hintergrund der humorvollen Überspitzung ist auch die ernährungswissenschaftlich nicht immer ganz korrekt beantwortete Frage nach der "richtigen" Ernährung zu verstehen. Zieht man solche Übertreibungen ab, bleibt ein ernstgemeintes Plädoyer für Toleranz, zumindest was dicke Menschen betrifft. Die dünne Mehrheit hingegen bekommt ihr Fett weg. Der komödiantische Kampf Dick gegen Dünn spiegelt sich schon im Ausstattungsdesign. Herrschen in Pummelstadt runde Formen und satte Farben von Senfgelb bis Ketchuprot, sind in Dünnhafen selbst die Farben dünn: Blasse Pastelltöne illustrieren den vornehm-asketischen Lebensstil einer Gesellschaft, die Genüssen misstraut. Weiterhin auffallend ist die perfekte Einförmigkeit nicht nur von Häusern, Straßen und Geschäften, sondern auch der Bewohner/innen in ihrer uniformen Sportbekleidung. Diese hyperrealistische Stilisierung, im Komödiengenre nicht ungewöhnlich, enthält eine weitere überspitzte Aussage: Dünne Menschen haben nicht nur keinen Spaß, sie sind auch mehr oder weniger gleich. Letzteres ließe sich allerdings auch über die dicken Bürger/innen von Pummelstadt sagen. Die Eingangsszene zeichnet sie – in Großaufnahmen und in Zeitlupe – allesamt als hemmungslos genusssüchtig.

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Montag, 15. April 2013

Anti-Bertelsmann: Scheinwerkverträge und illegale Arbeitnehmerüberlassung bei Bertelsmann Konzerntochter arvato systems aufgedeckt

37-jähriger schwerbehinderter Familienvater klagt sich vor dem Arbeitsgericht Bielefeld erfolgreich ins Unternehmen ein – Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt gegen arvato systems

(Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 5.12.2012, AZ: 6 Ca 1016/12)

Gütersloh


Nach den Kündigungsschutzklagen von 16 Mitarbeitern der arvato Entertainment Group die derzeit vor dem Bielefelder Arbeitsgericht verhandelt werden (das Westfalenblatt und die Neue Westfälische berichteten), sorgt nun der Fall eines 37-jährigen Gütersloher für einiges Aufsehen in Gütersloh; doch auch in Berlin wird der Fall durchaus aufmerksam wahrgenommen und gespannt beobachtet.

Die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin der Bündnis 90/Grünen im Fachausschuss für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag ist in ihrer Bundestagsfraktion für das Thema Leiharbeit und Missbrauch von Werkverträgen zuständig. Sie ermutigte den anwaltlich bislang nicht vertretenen Kläger mit den Worten: 

Ich gratuliere Ihnen zunächst einmal ganz herzlich zu Ihrem Erfolg, den Sie vor Gericht erzielt haben und hoffe, dass Sie auch die zweite Instanz meistern werden! Es muss eine enorme Kraftanstrengung für Sie gewesen sein. Das verdient meinen vollsten Respekt und ich würde mir wünschen, dass andere auch diesen Mut beweisen würden. Denn solch ein wehrhaftes Streiten hilft auch mir in meiner politischen Arbeit gegen den Missbrauch von Werkverträgen.“
(Mail vom 25.Februar 2013)

Der ehemalige Parteivorsitzende und Spitzenkandidat der Linken bei der anstehenden  Bundestagswahl Klaus Ernst, ließ über seinen Sprecher ausrichten, auch seine Fraktion sei „an dem Fortgang des Verfahrens sehr interessiert“. 
(Mail vom 01.03.2013)

Bereits am 21.02.2013 fand unter dem Thema „Missbrauch von Werkverträgen“ eine lebhafte Debatte im Bundestag statt. Die Fraktionen der SPD und der Linkspartei legten einen Gesetzentwurf vor, der die Aufdeckung und damit die Eindämmung illegaler Arbeitnehmerüberlassung unter Scheinwerkverträgen erleichtern soll. (Drucksache 17/12378 - „Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen“ und Drucksache 17/12373 – „Gesetz zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen“)

So bekundete auch die Hauptrednerin der SPD, Anette Kramme, gegenüber dem Kläger großes Interesse an dem nunmehr anhängigen Berufungsverfahren vor dem LAG Hamm. Der Kammertermin wurde inzwischen verlegt auf den 24.07.2013./ 9h. Sie betont den gesellschaftlichen Hintergrund und damit die sozialpolitische Dimension dieses Klageverfahrens und wünscht dem nunmehr dort  durch den Gütersloher Rechtsanwalt Dr. Gaile (Kanzlei Schils & Kollegen) vertretenen Kläger, „dass das Landgericht dies im Auge behalte“, nachdem „die Sensibilität für dieses Thema durch zahlreiche Medienberichte, durch gewerkschaftliche Aktivitäten und Forschung hierzu in der letzten Zeit gestiegen“ sei.
Sie hält „ein weiteres Urteil eines oberen Gerichts“ für „durchaus richtungsweisend“.
(Mail vom 21. März 2013)

Johannes Jakob, Sprecher der Abteilung für Arbeitsrecht beim DGB Bundesvorstand attestiert dem an Multipler Sklerose erkrankten teilweisen Erwerbsminderungsrentner: „Das Urteil hat eine wichtige Signalfunktion und macht hoffentlich vielen anderen Beschäftigten Mut, auch zu klagen.“ 
(Mail vom 20. März 2013)

Der Direktor des Institut für Arbeits-Sozial- und Wirtschaftsrecht an der Universität Münster, Professor Dr. Peter Schüren meint, nach einer Durchsicht der Argumente für die Berufung der arvato systems, „dass man hier durchaus dagegenhalten kann.“ 
(Mail vom 04.03.2013)

Professor Dr. Wolfgang Hamann, der seit vielen Jahren zu diesem Thema publiziert und an der Universität Duisburg-Essen lehrt, erwartet, „dass in der zweiten Instanz mit harten Bandagen gekämpft werden wird.“ Er bereitet den Kläger darauf vor, „Bertelsmann wird alles aufbieten, um das Ergebnis zu korrigieren…“
Gleichwohl rechnet er dem Familienvater 2er Kinder gute Prozesschancen aus: „…es wird für die  Beklagte schwierig sein, eine andere Sachentscheidung herbeizuführen.“
Dennoch räumt er ein, dass man zudem „vor Gericht auch immer das nötige Quäntchen Glück braucht“.
(Mails vom 19.2. und 20.3.2013)


Rechtliche INFO zum Hintergrund:

Arbeitnehmerüberlassung ist in Deutschland erlaubnispflichtig. Die Arbeitsgerichte prüfen bei der Behauptung, ein Fremdmitarbeiter, der bei einem Drittunternehmen unter einem Werk-/Dienstvertrag eingesetzt wird, ob die tägliche Arbeitspraxis dies bestätigt. Dabei kommt es vor allem auf die Frage an, wer in der Praxis das arbeitsbezogene Weisungsrecht ausübt. Tut dies in Wirklichkeit durchgängig und vollständig ein Mitarbeiter des Auftraggebers, also des Einsatzbetriebes, und ist der somit zur Arbeitsleistung überlassene Arbeitnehmer zudem vollständig in den Entleihbetrieb und die interne Betriebsorganisation eingebunden, so ist in Wirklichkeit Arbeitnehmerüberlassung festzustellen.

Ist der Verleiher dabei nicht im Besitz einer gültigen Erlaubnis zur Überlassung von Arbeitnehmern von der Bundesagentur für Arbeit (§ 1 AÜG), so liegt eine unerlaubte, illegale Arbeitnehmerüberlassung vor. Das Arbeitsverhältnis, bzw. der Arbeitsvertrag ist somit fehlerhaft, nichtig, also ungültig.

Als Arbeitnehmerschutzgesetz, fingiert das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz für solch einen Fall ab dem Beginn der Überlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen überlassenem Arbeitnehmer und Entleiher. (§§ 9,1 und 10,1 AÜG)

Im vorliegenden Fall stellte das Arbeitsgericht Bielefeld ebendiese Rechtslage fest. Der vorgebliche Werkvertrag  zwischen den Unternehmen Klüh Cleaning GmbH, Düsseldorf und der arvato systems GmbH, Gütersloh, war demnach nur vorgetäuscht, bzw. sprach die Praxis in der Durchführung eine andere Sprache; in Wirklichkeit lag unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vor, da die Verleihfirma – hier die Klüh Cleaning GmbH Düsseldorf, keine Erlaubnis hatte. Zu diesem Ergebnis gelangte die Kammer im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung der Geschäftspraxis.

Es war demnach rückwirkend die Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der arvato systems seit 05.08.2008 anzuwenden. Damit hat er auch rückwirkenden Anspruch auf die Nachzahlung der Differenz zwischen den gezahlten Löhnen und dem Lohn, der ihm als festangestellter Mitarbeiter der Beklagten zugestanden hätte (ähnlich „equal pay“), sowie auf gleiche Arbeitsbedingungen und sonstige Leistungen, die den Stammmitarbeitern zustehen.

Zudem handelt es sich dem Gesetz nach mindestens um eine schwere Ordnungswidrigkeit, die sowohl gegenüber dem Entleiher, wie auch dem Verleiher gleichermaßen mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 € geahndet werden kann was automatisch einen Negativeintrag ins Gewerbezentralregister zur Folge hat. Dadurch kann das Unternehmen für mehrere Jahre von öffentlichen Vergabeverfahren (Ausschreibungen) ausgeschlossen werden.

Sollte zudem durch die Strafverfolgungsbehörden Vorsatz festgestellt werden können, droht beiden Unternehmen, bzw. den Verantwortlichen  sogar eine Strafanzeige unter Straferwatung einer Geldbuße von bis zu 500.000 € und/oder 5 Jahren Haft! 

Anders als vom Sprecher der Bielefelder Staatsanwalt, Herrn Staatsanwalt Christoph Mackel  in einer Pressemeldung (Neue Westfälische vom 20.3.13) dargestellt,  wurde dem Kläger seitens der Staatsanwaltschaft Bielefeld auf Nachfrage am 27.02.2013 schriftlich per Fax mitgeteilt, „dass ein gesondertes Ermittlungsverfahren gegen die [arvato systems GmbH] wegen Verdachts einer Ordnungswidrigkeit, bzw. Straftat gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in der dafür hier im Hause zuständigen Sonderabteilung eingeleitet worden ist.“

Der Kläger betont dabei, nicht selbst Strafanzeige erhoben zu haben, sondern die Staatsanwaltschaft unter Vorlage des noch nicht rechtskräftigen Urteils vom Arbeitsgericht Bielefeld lediglich auf deren eigene Amtsermittlungspflicht hingewiesen zu haben. Dabei wies er auch auf den § 258a des StGB hin „Strafvereitlung im Amt“, da der Staatsanwältin Schröder der klägerseitige Vorwurf der illegalen Arbeitnehmerüberlassung und die Hintergründe bereits seit Mai 2011 gut und detailliert bekannt waren, bislang aber (mindestens bis zum 02.02.2013) offenbar noch keine Aktivitäten in Sachen Strafverfolgung oder wenigsten Aufklärung entfaltet worden waren. Stattdessen stellte man ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger aufgrund einer Strafanzeige und eines Strafantrags wegen Nötigung gegen die arvato systems GmbH, durch diese gegen den Kläger nur halbherzig unter  153 StPO ein. Ihm wurde zum Vorwurf gemacht, dass er über Wochen hinweg eine außergerichtliche Klärung suchte, wobei er der arvato systems vermeintlich ein empfindliches Übel angedroht haben soll. Tatsächlich kündigte er etliche Male an, notfalls den Klageweg beschreiten zu wollen, wodurch dem Unternehmen empfindlichen Repressalien drohten. Auch deutete er auf seine Erwägungen hin, zu prüfen, ob er die Medien über den Fall informieren sollte. 

Die Motivation von Unternehmen,  Missbrauch von Werkverträgen zu betreiben und das Risiko dieser gesetzlichen Folgen einzugehen dürfte in dem deutlichen Wettbewerbsvorteil liegen, den diese Form des Personaleinsatzes mit sich bringt. Der Auftraggeber von Werkleistungen entzieht sich so seiner Verantwortung für den sozialen Schutz eines angestellten, eigenen Mitarbeiters, er braucht sich um das Kündigungsschutzgesetz keine Gedanken zu machen, und kommt in der Regel schätzungsweise 30% billiger davon, während dann noch der Verleiher einen erheblichen Teil mitverdient und der Arbeitnehmer letztlich meist nur noch ein Gehalt auf dem Niveau von Dumpinglöhnen in der Lohntüte findet.  

Dies hat in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zur Folge, dass er auf ergänzende Sozialleistungen wie aufstockendes ALG 2, Wohngeld, Kinderzuschlag, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket usw. angewiesen ist und aufgrund seines niedrigen Lohns als Bemessungsgrundlage z.B. bei der Befreiung von Zuzahlungen bei der Krankenkasse u.ä. befreit werden kann, somit geringere Beiträge in die Sozialkassen einzahlt. Dies ja schon allein infolge des geringen Bruttolohns, der entsprechend niedrige Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit sich bringt.

Das ganze System des Missbrauchs von Werkverträgen schadet somit nicht nur dem einzelnen Arbeitnehmer, sondern es schadet der Solidargemeinschaft und dem Steuerzahler als Ganzes. Unternehmen scheuen nicht davor zurück, bei diesem Modell, hohe Unternehmensgewinne einzufahren, während die Gesellschaft und nicht die Arbeitgeber den Großteil der Löhne subventioniert und damit zahlt!

(s.a. Studie des RWI 2012, zum Thema Leiharbeit im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Wasser predigen und selber Wein trinken!)

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

Mittwoch, 3. April 2013

Martine Bulard, Alain Gresh, Philippe Rekacewicz, Catherine Samary, Olivier Zajec: Der lange Abschied vom Wachstum

Die große Wende der 1980er Jahre führte zu einer Reihe von Veränderungen. Der Charakter der gesamten Entwicklung lässt sich in vier Dimensionen des Umbruchs zusammenfassen:

ERSTER UMBRUCH: Die Profitrate (ihr Anteil am Nationaleinkommen) steigt.

...

ZWEITER UMBRUCH: Die Finanzialisierung setzt sich durch.

...

DRITTER UMBRUCH: Die Arbeitsproduktivität wächst langsamer.

...

VIERTER UMBRUCH: Der Machtzuwachs der Schwellenländer verändert die Welt.

...

Man muss ... darüber nachdenken, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, um zu einer "entfinanzialisierten", nach sozialen Maßstäben regulierten Wirtschaft zurückkehren zu können. Es gilt also die wirtschaftlichen und politischen Zwänge zu identifizieren, die seit den 1980er Jahren den Keim zur gegenwärtigen Krise gelegt haben.

...

Die Staatsausgaben, die im neoliberalen Modell als "unproduktive" Kosten gelten, sollen reduziert werden, um das Feld der gewinnbringenden Privatinvestitionen zu erweitern. Die sozialen Folgen sind bekannt: Prekarisierung und wachsende soziale Unsicherheit.

...

(Eine) entscheidende Frage heute (heißt): Wer soll die Schulden bezahlen, die der Staat in der Finanzkrise durch seine Rettungsaktionen vom Privatsektor in seine Bücher übernommen hat, die aber deshalb nicht verschwunden sind? Das ist weniger eine ökonomische als vielmehr eine politische und soziale Frage. Da es kein Ersatzmodell gibt, sind die Regierungen versucht, die Gelegenheit zu nutzen, um mit einer Schocktherapie die neoliberalen Reformen zu vertiefen und die Sonderziehungsrechte des Finanzkapitals auf den "Reichtum der Nationen" zu wahren.

Aus: Martine Bulard, Alain Gresh, Philippe Rekacewicz, Catherine Samary, Olivier Zajec (Hrsg.), Le Monde diplomatique. Atlas der Globalisierung. Die Welt von morgen, Berlin, S. 10 - 12

Serge Halimi: Rivalen und Komplizen

„Erschöpft sich unsere Freiheit darin, dass wir entscheiden dürfen, ob wir lieber das Messer des Bankiers an der Gurgel oder die Pistole des Tyrannen an der Schläfe spüren wollen?"

Aus: Martine Bulard, Alain Gresh, Philippe Rekacewicz, Catherine Samary, Olivier Zajec (Hrsg.), Le Monde diplomatique. Atlas der Globalisierung. Die Welt von morgen, Berlin, S. 7