10
Jahre ist es her, dass Bundeskanzler Schröder die Agenda 2010
verkündete. Sein Ziel war die Einrichtung eines Niedriglohnsektors in
Deutschland. Er konnte sich auf Grüne, CDU/CSU und FDP stützen und hatte
Erfolg. Hungerlöhne und eine hohe Produktivität machten die deutsche
Wirtschaft zur unbestrittenen Nummer 1 in Europa. An die Verlierer der
Agenda 2010 erinnerten am Montag Inge Hannemann,
Jobcenter-Mitarbeiterin, Inge Höger, Bundestagsabgeordnete der LINKEN,
zahlreiche Betroffene und DIE LINKE Gütersloh im Gütersloher Parkbad.
Michael
Pusch, Sprecher des Kreisverbandes, nannte Opfer und Täter: „Fast
19.000 Menschen im Kreis Gütersloh leben in sogenannten
„Bedarfsgemeinschaften“. 40.000 Menschen, fast jeder dritte Beschäftigte
im Kreis, verdienen weniger als 8,50 € die Stunde. Aber auch die Täter
sitzen hier. Grundlage der Agenda 2010 und somit der Hartz-Gesetze war
der „Wirtschaftspolitische Forderungskatalog“ der Bertelsmann-Stiftung.
Einer der Väter der Hartz-Gesetze war Klaus Brandner, Noch-SPD- Bundestagsabgeordneter aus Verl.“
Inge
Höger schilderte die Folgen der Agenda 2010. „Neben Niedriglöhnen
führte die Agenda zum Abbau des Kündigungsschutzes, zu Leiharbeit,
Befristungen und Minijobs. Das Herzstück aber war die Zusammenlegung von
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. 60 % der Bezieher von
Arbeitslosenhilfe waren von drastischen Kürzungen betroffen. Zwar ist
der Regelsatz höher als die einstige Sozialhilfe, aber durch die
Streichung aller Sonderleistungen war es im Effekt weiniger. Mit
Einführung der Bedarfsgemeinschaften wurden die Partner in die Pflicht
genommen. Durch Streichung der Zumutbarkeit und mittels Sanktionen
werden Erwerbslose selbst zur Annahme schlechtester Jobs gezwungen.
Inzwischen arbeitet 1/4 der Beschäftigten im Niedriglohnsektor. Bisher
wurden 70 Milliarden Euro für Aufstocker ausgegeben. Mit Steuergeldern
werden so die Firmen subventioniert, die Hungerlöhne zahlen.“
Nachdem
sie lange vergeblich versucht hat, ihre Kritik am Hartzsystem ihren
Vorgesetzten zu vermitteln, ist Inge Hannemann an die Öffentlichkeit
gegangen. Mit für sie schwerwiegenden Folgen. Sie wurde vom Dienst
suspendiert und ihr droht die fristlose Kündigung. Dabei hat sie nichts
weiter gemacht als Spielräume und Kannbestimmungen zum Wohle der
Leistungsberechtigten ausgelegt. Das ist nicht erwünscht. Im Gegenteil,
ihre Schilderungen der Praxis in den Jobcentern entlarven ein System,
das auf Angst, Drohungen und Erpressungen setzt und Menschen in
Krankheit und Tod treibt. Dabei spricht Inge Hannemann nicht nur für die
Leistungsberechtigten, sondern auch für die Jobcenter-MitarbeiterInnen.
Letztere sind schlecht ausgebildet, vorsätzlich falsch informiert und
mit der Betreuung von oft mehr als 300 Menschen völlig überlastet. In
Optionskommunen wie Gütersloh haben viele Beschäftigte der Jobcenter nur
befristete Verträge. Quoten bestimmen das Handeln. Ob sinnlose
Maßnahmen, nicht gerechtfertigte Sanktionen oder Zwangsverrentungen, die
Zahlen müssen stimmen. Scharfe Kritik äußert Inge Hannemann auch an
Bildungsträgern und Zeitarbeitsfirmen, für die die Agenda 2010 zum
Riesengeschäft geworden ist.
Die
ganz große Koaliton der Hartz-Parteien sitzt auch im Gütersloher
Kreistag. Kein Wunder also, dass viele Anwesende die von Inge Hannemann
geschilderten Methoden für Gütersloh bestätigten. Herbert Wessel,
Vertreter der Linken im Kreistag: „Als die CDU im Kreistag die
konsequente Anwendung von Sanktionen verlangt hat, habe ich als einziger
widersprochen“.
Inge
Hannemann rät den Betroffenen zu Terminen im Jobcenter jemanden
mitzunehmen, wenn nötig Widerspruch einzulegen, sich zu organisieren und
den Politkern „auf die Finger zu hauen“. Ihre Forderungen sind
deutlich: „Die Sanktionspraxis muss sofort abgeschafft werden,
Betroffene müssen entschädigt werden. Hartz IV und die gesamte Agenda
2010 sind gescheitert und gehören abgeschafft“. Inge Höger ergänzt:
„Arbeitslosenversicherung für die ganze Dauer der Arbeitslosigkeit, eine
Grundsicherung, Mindestlohn und Arbeitszeitverkürzung sind die einzig
richtigen Antworten.“ Besonders perfide ist die Rolle des Gütersloher
Bertelsmannkonzerns. „Die Stiftung schreibt die Gesetze, der
Medienkonzern hämmert diese in die Köpfe der Menschen und Arvato sahnt
ab. In anderen Zusammenhängen spricht man in solchen Fällen von
organisierter Kriminalität, “ so Michael Pusch.
Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.
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