"Der Antisemitismus nimmt nicht nur in Frankreich, sondern weltweit wieder zu. Warum besteht er auch siebzig Jahre nach Auschwitz fort? Zur Ursache des Judenhasses gibt es unzählige Theorien. Zum Beispiel: Man habe den Juden die 'Erfindung' des Monotheismus übelgenommen, der uns mit seiner Strenge überfordert. Aber auch dass 'die Juden' Jesus umgebracht hätten, wird seit Jahrhunderten beklagt. Manche verachteten die Juden wegen ihrer Armut und Traditionalität, andere beneideten sie wegen ihres Reichtums, ihrer Intelligenz und Modernität. Manche hegten Aversionen gegen sie, weil sie staatenlos waren, andere gerade wegen des Staates Israel. Manche misstrauten ihnen, weil sie sich nicht anpassten, andere, weil sie sich assimilierten. Die Rechten sahen Marx in ihnen, die Linken Rothschild. Verschwörungstheorien zum jüdischen Einfluss im 'internationalen Kapital', in der amerikanischen Politik, in den Medien und in Hollywood sind ein Evergreen. Sogar Auschwitz bringt manche gegen die Juden auf. Denn: Müssen wir Armen wegen des Holocaust nicht permanent Gewissensbisse haben? Auch Lob kann leicht in Ressentiment umschlagen, wenn etwa einer raunt, es sei doch seltsam, wie viele Juden es unter den Nobelpreisträgern gebe."
Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/antisemitismus-wieder-und-wieder-1.18471224
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