"Frage: Dank der Psychologie wissen wir, dass es in uns dunkle Triebe gibt, dass manche Leute traumatisiert sind. Steht das Menschenbild des Psychologen mit dem des Richters in Konflikt, weil es 'Schuld' relativiert?"
Urs Germann: "In der Tat stellt der psychiatrische Ansatz die Vorstellung des frei handelnden Subjekts infrage, das voll und ganz verantwortlich ist für sein Tun. Der Richter geht vom individuellen Verschulden aus, die Psychiatrie dagegen von einer Prägung entweder durch Umwelt und Veranlagung oder durch psychodynamische Kräfte. In der Praxis wird dieser Konflikt aber entschärft, weil Psychiatrie und Justiz zunehmend ähnliche Interessen verfolgen: Sie wollen im Einzelfall eine zweckmässige Sanktion verhängen, die dem Schutz der Gesellschaft vor dem Täter dient."
Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 2. Februar 2015 (Nr. 26, 236. Jg.), S. 40
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