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Dienstag, 17. März 2015

Volker M. Heins: Der langwe Krieg um Vielfalt. Warum ein wohlverstandener Multikulturalismus auch in Zeiten des islamistischen Terrors aktuell ist.

"Eine solche Forderung ist aus drei Gründen kontraproduktiv: Zunächst ignoriert die Polemik gegen den Multikulturalismus die Tatsache, dass der Multikulturalismus historisch bereits eine Antwort auf das Scheitern eben jener Assimilationspolitik war, die heute wieder gefordert wird. Zweitens verkennt sie das Wesen des neuen Terrorismus, womit sie ihn zugleich bagatellisiert. Drittens wird etwas Entscheidendes übersehen: Nur ein liberaler Umgang mit kulturellen Differenzen verspricht, dass sich Einwanderer und ihre Kinder in den Staaten, deren Bürger sie sind oder werden wollen, zu Hause und aufgehoben fühlen.Die grosse historische Alternative zum Multikulturalismus war das Projekt der Assimilation, verstanden als Einschmelzung und Überwindung der Sitten und Gewohnheiten von Einwanderern oder widerspenstigen einheimischen Gruppen wie etwa Ureinwohnern. Dieses Projekt muss im historischen Kontext des europäischen Kolonialismus gesehen werden. Assimilation war ursprünglich gleichbedeutend mit Zivilisierung.Tatsächlich scheint der Begriff der Assimilation erstmals im Vokabular des britischen Empire aufgetaucht zu sein, dessen Führer nach dem Verlust der amerikanischen Kolonien entschlossen waren, die Zügel straffer anzuziehen und sich nun auch der «Kulturarbeit», wie der deutsche Kolonialbegriff lautete, zu widmen. Assimilation wurde zur Losung einer Neugründung des Empire, dessen erstes Experimentierfeld die heutige französischsprachige Provinz Quebec in Kanada werden sollte. Ausgerechnet die Nachkommen eingewanderter katholischer Bauern aus der Normandie und der Bretagne glaubte man zu Engländern machen zu können, bevor man den Quebecern dann doch frühzeitig Sprachautonomie und Religionsfreiheit zusagte."

Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/debatte/der-lange-krieg-um-vielfalt-1.18502730

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

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