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Freitag, 16. Mai 2025

Steffen Roski: Der Philanthropische Komplex - erste Reaktionen


Mein Arbeitspapier zum Philanthropischen Komplex wird in der "Stiftungsszene", wenn ich die mit der Organisationsform Stiftung wissenschaftlich, beruflich und im weitesten Sinne engagiert Befassten einmal so nennen darf, rege diskutiert. Anbei einige wenige, eher skizzenhafte, Gedanken für den aktuellen Diskurs.

Die Legitimationsfrage stellt sich bei philanthropischem Engagement in einer demokratischen Gesellschaft immer wieder aufs Neue. Stifterische Aktivitäten sollten mit den positiv besetzten Codes der zivilen Sphäre in Einklang stehen. Als demokratietheoretisch problematisch dürften deshalb m.E. solche Stiftungsorganisationen einzuschätzen sein, die beispielsweise im Sinne eines hinter ihnen stehenden Konzerns operativ tätig sind und entsprechend jedwede Form demokratischer Mitwirkung an der Entscheidungsfindung über ihre Aktivitäten von vornhinein blockieren. Umgekehrt heißt das natürlich zugleich, dass philanthropisches Engagement, welches sich Offenheit und Transparenz verpflichtet weiß, zu begrüßen ist. Nach meinem Eindruck geht in der Bundesrepublik Deutschland der Trend doch zunehmend in diese Richtung, was sicherlich zur Legitimation des Stiftungswesens beizutragen vermag.

Es bedarf international vergleichender Studien über organisierte Philanthropie mit historischer Perspektive, die den jeweiligen Gegenwartsbezug ausdrücklich herstellen. Ergo: eine reine Stiftungs-Geschichtsschreibung ist nicht zureichend, wie wohl die Geschichtswissenschaft natürlich unermessliches Material und fundierte Forschungsergebnisse bereitzustellen vermag. Wichtig erscheint mir, das Thema von vornherein in einen begriffstechnisch komplex gearbeiteten theoretischen Bezugsrahmen zu stellen. Ausgehend von der Soziologie Talcott Parsons' erscheint mir das Konzept “Philanthropischer Komplex” äußerst fruchtbringend zu sein.

M.E. lassen sich drei Entwicklungstendenzen und Herausforderungen für philanthropisches Engagement gegenwärtig erkennen:

I. Die demokratietheoretischen Anforderungen an das philanthropische Handeln sogenannter “Hochvermögender”oder “Superreicher” werden immer anspruchsvoller werden.

II. Stiftungen werden sich klar zum Populismus-Problem positionieren müssen. Anders gewendet: gerade über Stiftungen lassen sich berechtigte Forderungen nach Inklusion und mikrodiverser Akzeptanz gesellschaftlich und politisch adressieren. Die Verantwortung philanthropischen Handelns für eine offene Gesellschaft wird noch größer werden.

III. Digitalisierung, der Computer und KI dringen bis in feinste Kapillaren der Lebenswelt hinein. Dieses Feld wird für Stiftungshandeln zentral, denn Inklusion heißt gegenwärtig vor allem, alle Bevölkerungsgruppen an diesen Technologien gleichberechtigt teilhaben zu lassen.

Der Philanthropische Komplex kann für die Demokratie und die mit ihr verbundene Lebensform einer freien Gesellschaft einen wichtigen Anker darstellen, da über die Organisationsform Stiftung ein Wirken in die Gesellschaft hinein möglich ist. Hinzu kommt, dass philanthropisches Handeln sich nicht an den Zeittakt des politisch-administrativen Systems koppeln muss und entsprechend langfristige Wirkungen entfalten kann. Das gesellschaftlich-politische Handeln von Stiftungen sollte sich an grundlegenden Wertvorstellungen orientieren und sich dabei jedoch nicht einfach parteipolitisch instrumentalisieren lassen. Stifterisches Handeln sollte unbedingt sichtbar sein - sichtbar vor allem für jene, die von Exklusion bedroht sind! Stiftungen sollten erkennen (und viele erkennen dies auch), dass sie als Inklusionsverstärker eine besondere Wirkungskraft im Sinne von mehr Teilhabe, sozialer Gerechtigkeit und demokratischer Werte haben!


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