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Politische Neutralität heißt bei der Bertelsmann Stiftung die Neutralität des Politischen


Am Freitag, dem 27. April, ist Katharina Schwabedissen zu Gast in Gütersloh. Um 17 Uhr spricht sie auf dem Berliner Platz. Zuvor stellt sich die Spitzenkandidatin der Linken den Fragen, der Kritik und den Wünschen der Gütersloher Bürgerinnen und Bürger. Unterstützt wird sie von Kutlu, einem Musiker der türkisch-italienisch-deutschen Rap-Band Microphone Mafia und von Helmut Manz, Politiker, Philosoph und Kabarettist mit „Die Taubenvergifter“. Beginn des Kulturprogrammes ist um 16 Uhr.

Unser besonderer Dank gilt Liz Mohn! Indem der zum Bertelsmannkonzern gehörende Fernsehsender RTL SPD, CDU, Grünen, Piraten und sogar der FDP die Möglichkeit einräumt, "Klartext" zu sprechen - nur der LINKEN nicht, sprechen wir jetzt Klartext in der Heimatstadt von Bertelsmann. Und da werden wir auch über Bertelsmann nicht schweigen!“ stellt Michael Pusch fest, der Sprecher des Kreisverbandes DIE LINKE. Gütersloh. „DIE LINKE ist die einzige Partei, die unbeeinflusst von Spenden und üppigen Honoraren von Banken und Konzernen Politik macht. Dafür steht auch Katharina Schwabedissen. Wir sind gespannt, was sie zu sagen hat.“ Alle Interessierten sind herzlich zu Musik, Kabarett und Gespräch eingeladen.


Zivilgesellschaft stärken, Bertelsmann stoppen! - Die Zusammenarbeit der NRW-Landesregierung mit der Bertelsmann-Stiftung muss auch bei der Agentur für Bildung und nachhaltige Entwicklung sofort beendet werden!


DIE LINKE Nordrhein-Westfalen

Bochum, 20.04.2012

PRESSEMITTEILUNG


Zivilgesellschaft stärken, Bertelsmann stoppen!


„Als öffentlich-rechtliche Stiftung fördert die Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW im Anschluss an den Agenda 21-Prozess die Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Akteure. Deshalb ist auch die heute beschlossene Beteiligung der Stiftung an der Agentur für Bildung und Nachhaltige Entwicklung durchaus ein sinnvoller Schritt, um ein Zusammenwirken von Initiativen des Landes mit den Impulsen aus Umweltverbänden und Gewerkschaften zu stärken“, erklärt Bärbel Beuermann, Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Ständigen Ausschuss im von Landtag Nordrhein-Westfalen.

Dieser Prozess dürfe allerdings nicht missbraucht werden, um wesentliche Inhalte der Arbeit der Agentur am demokratisch gewählten Parlament vorbei zu bestimmen, so die klare Forderung der LINKEN.

Beuermann weiter: „Erst recht darf die Kooperation der Landesregierung mit Stiftungen nicht zum Einfallstor für den bestimmenden Einfluss privater Stifter und ihrer Eigeninteressen auf die Politik des Landes werden, wie es vor allem bei der von Hannelore Kraft hofierten Bertelsmann-Stiftung der Fall ist.
Die Zusammenarbeit der Landesregierung mit der Bertelsmann-Stiftung muss auch bei der Agentur für Bildung und nachhaltige Entwicklung sofort beendet werden!“

Weiterhin müsse das Stiftungsrecht des Landes grundsätzlich so geändert werden, dass an privatwirtschaftlichen Einzelinteressen ausgerichteten Stiftungen - wie der Bertelsmann-Stiftung - die Gemeinnützigkeit entzogen wird, bekräftigt Beuermann.

“Diese Forderung aus dem Wahlprogramm der LINKEN von 2010 gehört auch nach der Landtagswahl am 13. Mai auf die Tagesordnung des Landtags.“

Wie stets - halbgar und wurstig: Reaktion der Bertelsmann Stiftung auf den Vorstoß der NRW-Piraten ihr die Gemeinnützigkeit abzuerkennen


Pressemeldung
Gütersloh, 12.04.2012
Bertelsmann Stiftung zur Forderung der NRW-Piraten
Stellungnahme der Bertelsmann Stiftung zum Programmantrag des Spitzenkandidaten der NRW-Piraten für die kommende Landtagswahl, der auf dem Sonderparteitag der Piraten am Wochenende in Dortmund beraten wird und die Forderung erhebt, der Bertelsmann Stiftung ihre Gemeinnützigkeit abzuerkennen:
„Die Bertelsmann Stiftung setzt sich für das Gemeinwohl ein. Sie engagiert sich in den Bereichen Bildung, Wirtschaft und Soziales, Gesundheit, Bürgerbeteiligung sowie internationale Verständigung und fördert das friedliche Miteinander der Kulturen. Durch ihr gesellschaftliches Engagement will sie alle Bürger ermutigen, sich ebenfalls für das Gemeinwohl einzusetzen. Die 1977 gegründete gemeinnützige Einrichtung hält die Mehrheit der Kapitalanteile der Bertelsmann AG. Die Bertelsmann Stiftung arbeitet operativ und ist unabhängig vom Unternehmen sowie parteipolitisch neutral. 

Zu den aktuellen Projekten der Bertelsmann Stiftung zählen beispielsweise der Jakob Muth-Preis, der vorbildlich arbeitende inklusive Schulen auszeichnet, oder das Pilotprojekt zur Lehrerfortbildung in individueller Förderung an rund 60 Schulen in Nordrhein-Westfalen. Der „Chancenspiegel“ untersucht die Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungswesen, der „Transformation Index BTI“ die Entwicklung der Demokratie in 128 Staaten. Der Internationale Gesangswettbewerb „Neue Stimmen“ fördert den Opern-Nachwuchs, die „Weisse Liste“ informiert und berät Patienten gemeinsam mit den größten Patienten- und Verbraucherorganisationen zu Pflege- und Gesundheitsthemen. Eine Studie zur Beschäftigungspolitik hat kürzlich den Status der Leiharbeiter unter die Lupe genommen. Das Projekt „Alle Kids sind VIPs“ unterstützt Projekte von Jugendlichen zum Thema Integration. Derzeit entsteht ein „Beteiligungskompass“, der als Internet-Plattform über alle bekannten Methoden, Instrumente, Beispiele, Experten und News rund um das Thema Bürgerbeteiligung informiert. Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den Themen, denen sich die Stiftung aktuell widmet.

Die Bertelsmann Stiftung wurde am 8. Februar 1977 von Reinhard Mohn errichtet und am 14. März 1977 vom nordrhein-westfälischen Innenminister genehmigt. Damit einher ging die Anerkennung der Gemeinnützigkeit, die seitdem regelmäßig von den zuständigen Behörden überprüft wird. Die Finanzverwaltung prüft die jährliche Steuererklärung und den Tätigkeitsbericht der Stiftung gemäß der bundesweiten Abgabenordnung; die Bezirksregierung als Stiftungsaufsicht prüft die Satzungstreue gemäß dem nordrhein-westfälischen Stiftungsrecht. Darüber hinaus testieren Wirtschaftsprüfer regelmäßig die Rechtmäßigkeit des Stiftungshandelns. Die Bertelsmann Stiftung ist somit auf genau derselben rechtlichen Basis tätig wie alle gemeinnützigen Stiftungen in Deutschland.

Jeder Bürger, der sich für die Tätigkeitsfelder der Bertelsmann Stiftung interessiert, ist eingeladen, sich auf der Homepage im Internet ausführlich über unsere inhaltliche Arbeit zu informieren. Stets willkommen sind Besuchergruppen, die vor Ort in Gütersloh in den direkten Dialog mit uns treten möchten. Dies gilt selbstverständlich für alle gesellschaftlichen Gruppen, auch für politische Parteien.“

Piraten in NRW unterstützen die politische Forderung nach Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Bertelsmann Stiftung mit großer Mehrheit!


Programmantrag Nr.
WP003
Beantragt von
Peter Rath-Sangkhakorn, Dr. Joachim Paul
Typ
Wahlprogramm
Text
Die NRW-Piraten fordern eine Revision des NRW-Stiftungsrechtes und die sofortige Rücknahme der Lex Bertelsmann

Die NRW-Piraten fordern als Sofortmaßnahme die Streichung der § 7, Abs. 1, Satz 2 und § 12, Abs. 5 des NRW-Stiftungsrechtes und die Aberkennung des steuerbefreienden Status der „Gemeinnützigkeit“ der Bertelsmann Stiftung. Weitergehende Änderungen und eine umfassende Novellierung des Stiftungsrechtes bleiben davon unberührt.
Begründung
Bei der Bertelsmann Stiftung handelt es sich nach vielen soziologischen Ansichten und Untersuchungen um eine Institution, die vergleichbar ist mit einer ausgelagerten steuerbefreiten Marktforschungs-, Marketing- und Vertriebsabteilung der Bertelsmann AG und Ihrer Tochterunternehmen, insbesondere der Arvato AG.
Die Kritik an der durch die Finanzverwaltung zu Unrecht bejahten Gemeinnützigkeit der Stiftung hat in den letzten Jahren aufgrund fundierter soziologischer Untersuchungen der Vernetzungen zwischen der Stiftung und den Unternehmen der Bertelsmann-Gruppe sowie der Funktion der Stiftung als bedeutenste Politikberaterin in der Bundesrepublik Deutschland zu Recht an Schärfe und Ausmaß zugenommen. Denn im Ergebnis empfehlen die Untersuchungen der Stiftung stets Konzepte, die eine Entstaatlichung bisher öffentlicher Aufgaben und deren Privatisierung und damit unternehmens-freundliche Lösungen vorschlagen; sie kommen somit zumindest mittelbar auch den Unternehmungen der Bertelsmann Stiftung zugute. In vielen Fällen hält das Bertelsmann-Tochterunternehmen Arvato AG sogar Lösungen bereit, die sich aufgrund der Untersuchungen der Bertelsmann Stiftung als Lösungskonzepte geradezu anbieten.
Denn die Stiftung betreibt die Vorfelduntersuchungen, berät anschließend die Entscheider (Politiker) in Form von handouts und lädt zu Kongressen ein, zu denen die Politiker und Spitzen der Verwaltung eingeladen werden. Anschließend bietet die Arvato AG - eine 100%-ige Tochter der Bertelsmann AG - die Lösungskonzepte an; natürlich gegen ein entsprechend hohes Entgeld. Beispiel: "Würzburg integriert".
Es darf nicht sein, dass mit ersparten Steuergeldern Marktforschung, Marketing und Vertrieb der Bertelsmann AG und deren Tochterunternehmen finanziert werden. Daher ist der Bertelsmann Stiftung die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Da das Stiftungsrecht in Nordrhein-Westfalen und die Stiftungsaufsicht durch den Regierungspräsidenten den Vertretern der Bertelsmann Stiftung nicht passte, wurde es auf die Initiative der Bertelsmann Stiftung hin reformiert.
So heißt es in § 7 Abs. 1 Satz 2:
"Wird die Stiftung durch eine Behörde, einen Prüfungsverband, die Prüfungsstelle eines Sparkassen- und Giroverbandes, eine Wirtschaftsprüferin, einen Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder eine vereidigte Buchprüferin oder vereidigten Buchprüfer oder eine Buchprüfungsgesellschaft geprüft und erstreckt sich die Prüfung auch auf die Erhaltung des Stiftungsvermögens und die satzungsgemäße Verwendung der Stiftungsmittel, so soll die Stiftungsaufsichtsbehörde von einer eigenen Prüfung absehen."
Die Stiftungsaufsicht durch die Regierungspräsidien ist damit faktisch abgeschafft!
Eine etwas versteckte, aber doch aus Sicht der Stiftungen zentrale Vorschrift des nordrhein-westfälischen Stiftungsrechts in § 12 Abs. 5 lautet: "Die behördlichen Unterlagen über die Anerkennung und Beaufsichtigung einzelner Stiftungen unterliegen nicht dem allgemeinen Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen."
Das ist nach dem Verständnis der Piratenpartei NRW eine explizite Ausnahme zur Förderung von Intransparenz und Verschleierung. Und das, obgleich es sich doch um steuerbefreite Stiftungen handelt, die verpflichtet sind nur dem Allgemeinwohl zu dienen.
Das Gesetz wurde im Februar 2005 verabschiedet. Verantwortlicher Ministerpräsident war damals in Nordrhein-Westfalen Peer Steinbrück.
Interessant sind auch die Beiträge zu den Verbindungen zwischen Rotary und Bertelsmann sowie dem Einsatz der Bertelsmann Stiftungen für die massenhafte Gründung von Bürgerstiftungen, die damit verbundenen Steuervermeidungsstrategien der Wohlhabenden und den damit verbundenen Entdemokratisierungs- und Entsolidarisierungsbestrebungen der Bertelsmann Stiftung. Der im Grundgesetz festgeschriebene Sozialstaat soll durch ein sogenanntes "bürgerschaftliches Engagement" auf Ehrenamtsbasis ersetzt werden. 

Steffen Roski - Seven theses concerning Bertelsmann

Seven theses concernng Bertelsmann


  • It is an encouraging signal for the critics of neo-liberalism that the so-called “reforms” could not prevent collective interdisciplinary entrance to the topic “Bertelsmannisierung”, which means the growing influence of the media corporation Bertelsmann on German and international politics and policies. Multi-dimensionality in theory and analysis connected with a variety of critical-emancipatory perspectives beyond the mainstream of "normal science" fertilize political practice. Critics of Bertelsmann practice not in worth-neutral abstentionism, but know that to analyze this global player with scientific methods always means to work in the realm of "praxis", i.e., directly society-changing!
  • Bertelsmann is a serious and financialstrong participant on the capital side, which is able to fuel processes of social brain drain, i.e., to incorporate persons from their academic-intellectual and political-administrative circles into its complex power structure and networks. Bertelsmann is dependent on the reflexive knowledge of willing intellectuals in order to plan the company strategies and operational objectives. They also serve to legitimize its influence and to public-effectively communicate polical formulas.
  • Strategies against the neo-liberal mission of the Bertelsmann company can be effective only on the basis of clear analysis. There are lots of theory options: Marxist political economics, regularization theory, elite theory and power structure research, left functionalism, organizational theory and further more. They serve to clear the fog around the globally operating empire of media and services from the provincal city of Gütersloh in order to make counter-systemic cross-linkings able to unfold their full effectiveness.
  • The gradual erosion of the political area by benchmarking, by control with economic indices and indicators as well as by management by competition lies in the most characteristic interest of Bertelsmann, which offer appropriate planning and evaluation equipments, for example for the local government policy and the municipal administration as well as for the ranges to health and education (schools and universities). The company group attached media (e.g. the television stations of the RTL Group and the newspapers and magazines at Gruner und Jahr) manufacture thereby a public opinion which pay homage to the cult of productivism and individualism and squints spellbound on the next rankings.
  • Bertelsmann takes a key position in post-industrial, post-fordistic, tertiary, knowledge-based society as a global media and service company. Bertelsmann's agents and think tanks - Bertelsmann Foundation, Centre for University Development, Centre for Applied Political Research, Corporate University - do not only observe social developments passively. Instead, these institutions are characterized by active strategic acting (from classical lobbying to subtle attaching of fine-meshed power networks). For more than over a decade Bertelsmann is one of the key actors of capital side. Its oprative goal is the construction of a new social development model and accumulation regime.
  • Bertelsmann needs the state. The German state creates once the legal basic conditions favorable for working the Bertelsmann Foundation. On the other hand there is no better contracting party for the services octopus Arvato, a subsidiary company of Bertelsmann. Arvato promises the public hand, whether it be municipal administrations, hospitals, universities and schools to be able to achieve by the supply of economic indices and with it by the abstraction of contentwise criteria “everywhere at the same time the miracle of a reduction of costs with a quality increase.” (See Michael Felder: "Verwaltungsmodernisierung, die Transformation von Staatlichkeit und die neue Sozialdemokratie" (“Administrative modernization, the transformation of governance and new labor”), in: UTOPIE kreativ 121/122 (2000), p. 1090-1102; Quotation p. 1095) Bertelsmann has thus a high interest in the resolution of the central contradiction of neo-liberalism, i.e. the only negative definition of the role of the state in view of its also further existing meaning for economic processes, in order to make productive use of it in the interest of the corporation.
  • An important postulate of the critical Bertelsmann analysis reads: neo-liberalism and neo-nationalism do not exclude themselves - they cause each other. There is not a contradiction between the campaign "Du bist Deutschland" - “I am German(y)"”, the increasing controlling of public ranges over economic indicators and the production of an all-comprehensive regime of fierce competition. On the one hand, the capital-serving regulatory state must be most sensitive in relation to capitalism-critical analyses. Neonationalist campaigns are suitable for the stigmatization of critics in order to produce a society-far opinion climate that labels them in the long run as public enemies. On the other hand, the strategy of Bertelsmann consists in offering privatization and deregularization. Its operative business model is established to secure the conditions of the corporation's further existence. Those suffering from privatisation and deregularization stand under permanent savings obligation and thus the classical conception of solidarity is threatened, “as a productivistic reconstruction of justice is aimed at.” (Felder, op.cit., p. 1094) This will unavoidably lead to crises, which must be controlled politically and ideologically in the context of the nation state. Neo-nationalism serves here as balance mechanism. It is not the first time that the German capital is playing with the fire.



Steffen Roski - Sieben Thesen Bertelsmann betreffend


    Sieben Thesen Bertelsmann betreffend

  1. Es ist ein ermutigendes Signal für KritikerInnen des Neoliberalismus, dass die sogenannten "Reformen" einen kollektiven interdisziplinären Zugang zum Thema "Bertelsmannisierung" nicht haben verhindern können. Multidimensionalität in Theorie und Analyse verbunden mit einer Vielfältigkeit kritisch-emanzipatorischer Perspektiven jenseits des normalwissenschaftlichen Mainstream befruchten die politische Praxis. BertelsmannkritikerInnen üben sich nicht in wertneutraler Enthaltsamkeit, sondern wissen, dass Bertelsmann mit wissenschaftlichen Methoden zu analysieren stets bedeutet praktisch, d.h. unmittelbar gesellschaftsverändernd zu wirken!
  2. Bertelsmann ist ein ernstzunehmender und finanzstarker Akteur der Kapitalseite, der in der Lage ist, Prozesse des innergesellschaftlichen brain drain in Gang zu setzen, d.h. Personen aus ihren akademisch-intellektuellen und politisch-administrativen Zirkeln hinaus- und sie in seine komplexen Machtnetzwerke hineinzuführen. Bertelsmann ist auf das Reflexionspotenzial williger Intellektueller angewiesen, um die Konzernstrategien und operativen Zielsetzungen zu planen, zu legitimieren und publikumswirksam zu kommunizieren.
  3. Strategien gegen die neoliberale Mission des Bertelsmann-Konzerns können nur auf der Grundlage klarer Analyse wirksam sein. Dabei kann diese sich unterschiedlicher Theorieoptionen bedienen: marxistische politische Ökonomie, Regulationstheorie, Elitetheorie und Power-Structure-Research, linker Funktionalismus, Organisationstheorie und weitere mehr. Sie dienen dazu, den Nebel um das international operierende Gütersloher Medien- und Dienstleistungsimperium zu lichten, damit gegensystemische Vernetzungen ihre volle Wirksamkeit zu entfalten vermögen.
  4. Die schrittweise Erosion des politischen Raumes durch Benchmarking, durch Steuerung mit ökonomischen Kennziffern und Indikatoren sowie durch management by competition liegt im ureigensten Interesse des Gütersloher Dienstleistungs- und Medienkonzerns, der entsprechende Planungs- und Evaluationsinstrumentarien beispielsweise für die Kommunalpolitik und die Kommunalverwaltung sowie für die Bereiche Gesundheit und Bildung (Schulen und Hochschulen) anbietet. Die dem Konzernverbund angegliederten Medien (z.B. die Fernsehsender der RTL-Gruppe und die Zeitungen und Zeitschriften bei Gruner und Jahr) stellen dabei eine dem Kult des Produktivismus und Individualismus huldigende öffentliche Meinung her, die gebannt aufs nächste Ranking schielt.
  5. In einer postindustriellen, postfordistischen, tertiären, wissensbasierten Gesellschaft nimmt Bertelsmann als Medien- und Dienstleistungskonzern eine Schlüsselstellung ein. Mit der Bertelsmann Stiftung, dem Centrum für Hochschulentwicklung, einer Corporate University und dem Think Tank CAP verfügt Bertelsmann über Agenten, die gesellschaftliche Entwicklungen nicht nur passiv beobachten, sondern die bereits seit über einem Jahrzehnt durch aktives strategisches Handeln (vom klassischen Lobbying bis zum subtilen Knüpfen feinmaschiger Machtnetzwerke) an der Konstruktion eines neuen gesellschaftlichen Entwicklungsmodells beteiligt sind.
  6. Bertelsmann braucht den Staat. Dieser schafft einmal die für das Wirken der Bertelsmann Stiftung günstigen rechtlichen Rahmenbedingungen. Zum anderen gibt es für den Dienstleistungsmoloch Arvato, eine 100%ige Tochter des Bertelsmann Konzerns, keinen besseren Vertragspartner. Arvato verspricht der öffentlichen Hand, ob es sich um kommunale Selbstverwaltung, Krankenhäuser oder aber um Universitäten und Schulen handelt, durch die Bereitstellung ökonomischer Kennziffern und damit durch die Abstraktion von inhaltlichen Kriterien "überall zugleich das Wunder vollbringen zu können, eine Kostensenkung mit einer Qualitätssteigerung zu verbinden." (Dazu Michael Felder: "Verwaltungsmodernisierung, die Transformation von Staatlichkeit und die neue Sozialdemokratie", in: UTOPIE kreativ 121/122 (2000), S. 1090-1102; Zitat S. 1095) Bertelsmann hat somit ein hohes Interesse daran, den Zentralwiderspruch des Neoliberalismus, nämlich die nur negative Bestimmung der Rolle des Staates angesichts seiner auch weiterhin bestehenden Bedeutung für ökonomische Prozesse, im Sinne des Konzerns produktiv aufzulösen.
  7. Ein wichtiges Postulat der kritischen Bertelsmann-Analyse lautet: Neoliberalismus und Neonationalismus schließen sich nicht aus, sie bedingen einander. Es besteht kein Widerspruch zwischen der Kampagne "Du bist Deutschland", der zunehmenden Steuerung öffentlicher Bereiche über ökonomische Indikatoren und der Inszenierung eines möglichst allumfassenden Wettbewerbs. Zum einen muss der von Seiten des Kapitals in den Dienst genommene "Regulierungsstaat" höchst sensibel gegenüber kapitalismuskritischen Analysen sein. Neonationalistische Kampagnen eignen sich dazu, KritikerInnen zu stigmatisieren, indem ein gesellschaftsweites Meinungsklima erzeugt wird, dass diese letztlich zu Staatsfeinden stempelt. Zum anderen besteht die Strategie des Bertelsmannkonzerns darin, mit Angeboten zur Privatisierung und Deregulierung, mit Dienstleistungen also, die Reproduktion seiner Existenzbedingungen zu sichern. Die von Privatisierung und Deregulierung Betroffenen stehen unter permanentem Sparzwang, der die klassische Vorstellung von Solidarität zur Disposition stellt, "indem eine produktivistische Rekonstruktion von Gerechtigkeit angestrebt wird." (Felder, a.a.O., S. 1094) Dies wird zu Krisen führen, die politisch und ideologisch im Kontext des Nationalstaats aufgefangen werden müssen. Der Neonationalismus dient hier als Ausgleichsmechanismus. Es ist nicht das erste Mal, dass das Kapital in Deutschland mit dem Feuer spielt.

Der Bertelsmann Stiftung die Gemeinnützigkeit aberkennen! - Interview mit Steffen Roski (Fragesteller: Jens Wernicke)


Die Anstifter anstiften stiften zu gehen!

Jens Wernicke (JW): Private Stiftungen engagieren sich auf vielfältigen Gebieten. Gibt es da überhaupt Anlass zu Kritik?

Steffen Roski (SR): Fragen wie diese sind in den USA längst gestellt, öffentlich breit diskutiert und Ende der 1960er Jahre klar beantwortet worden. Die amerikanische Stiftungsreform führte zu einschneidenden steuerlichen Regelungen, wonach z. B. Stiftungen nicht mehr als 20% der Anteile an einem Unternehmen halten dürfen und heute mindestens 5% des am Ende jeder Periode akkumulierten Vermögens in der jeweils folgenden dem Stiftungszweck zuführen müssen. Der dritte große Unterschied ist: In Amerika dürfen 'private foundations' – von Privatpersonen gegründete Stiftungen – keine Aktivitäten entfalten, die nach amerikanischem Recht als Lobbying eingestuft werden. Anders ist die Situation in Deutschland. Hierzulande sind Stiftungen noch nicht systematisch untersucht worden. Es fehlt ein breiter Stiftungsdiskurs. Private Stiftungen wie die paradigmabildende Bertelsmann Stiftung haben es leicht, sich hierzulande elitär abzuschotten, weil Politik und Recht den privaten Stiftungen in die Hände spielen Dies trübt die Gewässer. Die politische Klasse ist mit den Stiftungen bereits zu sehr verbandelt, als dass Transparenz ganz oben auf der Agenda stehen könnte.

JW: Sie haben die Bertelsmann-Stiftung erwähnt. Sie ist zweifellos die einflussreichste Stiftung im Land. Ihre Gemeinnützigkeit gemäß § 52 Abgabenordnung (AO) wurde staatlich anerkannt. In Kommunen, Ländern und auf Bundesebene führt sie Politikberatung durch. Was stört Sie daran?

SR: Lassen Sie mich dies an einem aktuellen Beispiel deutlich machen. In einem niedersächsischen Gymnasium wird SEIS (Selbstevaluation in Schulen), ein Erhebungsinstrumentarium der Bertelsmann Stiftung zur Gewinnung betriebswirtschaftlicher Kennziffern, eingesetzt. Im Internetforum dieses Gymnasiums diskutieren Schülerinnen und Schüler der Oberstufe dies kritisch. Eine Schülerin fragt: "Aber was hat Bertelsmann mit der Entwicklung von gerade unserer Schule zu tun? Und mit der von hunderten weiteren  Schulen in Deutschland?" Gut gefragt, finde ich. Denn worin besteht der Unterschied zwischen einer Stiftung, die über drei Viertel des Konzernkapitals hält und diesem Konzern selbst? Die Stiftung bereitet den Boden dafür, dass der Konzern mit seinen Medien- und Dienstleistungs-Töchtern - in diesem konkreten Fall - Teilbereiche schulischer Bildung in seine Wertschöpfung integriert. Die Bertelsmann Stiftung macht das gleiche auf dem Feld der kommunalen Selbstverwaltung, den Hochschulen, im Gesundheitswesen ... Sie macht dabei das Gemeinwohl geltend, dient aber tatsächlich den Verwertungsinteressen des Konzerns, den sie ja gleichsam besitzt. Die Schülerinnen und Schüler vom Seelzer Gymnasium haben einfach ihren Verstand gebraucht und erkannt, dass die Bertelsmann Stiftung nicht etwa der Gemeinschaft gegenüber verantwortlich ist, sondern allein dem hinter ihr stehenden Kapital. Ich bin offensichtlich bei weitem nicht der Einzige, der hier kritische Fragen stellt.

JW: In welchen Bereichen ist eine solche Vermischung zwischen Konzerninteressen und Stiftungspolitik genau nachweisbar?

SR: Diese 'Vermischung', wie Sie das nennen, ist inzwischen umfänglich belegt. Der Diskussionsstand lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass die Bertelsmann Stiftung - verbunden mit ihren Aninstituten wie etwa das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) - ein finanzstarker politischer Lobbyist ist, der nicht nur auf den oben genannten Politikfeldern Vorfeldarbeit für den Konzern leistet, sondern darüber hinaus z. B. auch den EU-Verfassungsprozess zu beeinflussen sucht. Dies ist für Bertelsmann deshalb so relevant, weil der Konzern seit jeher am Erwerb von Rechten auf 'Geistiges Eigentum' interessiert ist und diese von jeder sozialen Verpflichtung lösen will. Auch in der 'hohen Politik' - bei der Formulierung europaweiter und nationaler 'Reformen' also - dasselbe Muster: Die Stiftung wirft die Nebelkerze 'Gemeinnützigkeit', während in ihrem Dunst sich der Konzern bereits startklar gemacht hat.

JW: Aber ist es nicht das legitime Recht eines jeden, mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Partikularinteressen zu vertreten? Hans-Böckler- und Hertie -Stiftung tun dies doch ebenso – und mit ihnen tausende andere Stiftungen im Land?

SR: Es sollte deutlich geworden sein, dass die Bertelsmann Stiftung eine Stiftung besonderen Typs darstellt. Nehmen wir nur einmal das Beispiel Böckler-Stiftung. Mir ist nicht bekannt, dass diese eine Maschine darstellt, die mit ihren Projekten Geld verdient. Deshalb ist aus meiner Sicht ihr Engagement nicht scheinheilig, sondern dem Versuch geschuldet, in allen ihren Aufgabenfeldern der Mitbestimmung als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen. Insofern vertritt natürlich die Böckler-Stiftung legitime Partikularinteressen einer gewerkschaftsnahen Institution. Gerade darin wird allerdings ein Kontrast zur operativen Unternehmensstiftung deutlich. Weder Sie noch ich noch sonst irgendwer hat die Möglichkeit, bei Projekten der Bertelsmann Stiftung mitzubestimmen! Hier liegt der Knackpunkt: Anstelle von demokratischer Teilhabe im Kontext von Staatlichkeit, setzt Bertelsmann gerade auf den Abbau von Staatsfunktionen, die dann privatwirtschaftlich substituiert werden sollen. Übrig bleibt dann nur noch betriebswirtschaftliches Controlling. Der von der Bertelsmann Stiftung so hoch gehaltenen 'Zivilgeselllschaft' wird der partizipative Zahn gezogen. Die Zivilgesellschaft wird faktisch wehrlos gemacht.. Im Übrigen: Wenn die Böckler-Stiftung sich mit der Bertelsmann Stiftung einlässt und mit ihr kooperiert, wie in der nordrhein-westfälischen Schulpolitik geschehen, dann gibt es dort immerhin noch die institutionell verbürgten Kritikmöglichkeiten derer, die an ihr partizipieren. Die einem Partikularinteresse dienende Stiftung ermöglicht Partizipation und Kritik; die vermeintlich dem 'Gemeinwohl' verpflichtete Bertelsmann Stiftung erweist sich als Elitekartell und duldet keine Kritik aus den Reihen der 'Zivilgesellschaft'.

JW Wenn die Bertelsmann Stiftung kein zivilgesellschaftlicher Akteur ist, was ist sie Ihrer Meinung nach dann?

SR: Sie ist ein Instrument der superreichen Konzernfamilie Mohn und besteht einzig deshalb, weil sie diese doppelt privilegiert: in einer bevorzugten steuerlichen Behandlung privaten Vermögens und in der Möglichkeit der individuellen Festlegung des Stiftungszweckes. Eine Wirtschaftselite sammelt steuerlich begünstigt politisches Kapital und wird so zur Machtelite - zu einem 'medial-politischen Komplex' also. Sie greift ein in den demokratischen Prozess und reduziert zudem indirekt das Steueraufkommen durch entgangene Einnahmen. Sie ist somit ein Akteur der Kapitalseite, der den Staat in eine paradoxe Situation zu zwingen imstande ist. Die ihm durch reduzierte Steuereinnahmen entgangenen Steuerungskapazitäten kann dieser nur dann kompensieren, wenn er regulatorisch aktiv wird und der Konzernstiftung die notwendigen Rahmenbedingungen dafür verschafft, dass diese schlussendlich seine Funktionen übernimmt. Die Bertelsmann Stiftung einfach mit dem Etikett 'neoliberal' zu belegen, greift zu kurz. Sie braucht den Staat, seine Regulierungfähigkeit, seine Steuern und die Handlungsräume, die dieser ihr und dem Konzern zunehmend überlässt. Aus dieser Analyse ergeben sich konkrete Forderungen an die Politik, aber auch an die wissenschaftliche Forschung hierzulande. Wir brauchen politische Initiativen zur Eindämmung der Stiftungsmacht, wir brauchen als Voraussetzung dazu auch systematische wissenschaftliche Untersuchungen über das Stiftungswesen. Die Bertelsmann Stiftung als Konzernstiftung besonderen Typs sollte zum Objekt wissenschaftlicher Forschung und politisch-öffentlicher Debatte gemacht werden. Dies zu forcieren ist das Ziel meines Aufrufs!