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Mittwoch, 30. Oktober 2013

Dienstag, 29. Oktober 2013

PHILIP MADER: Scheitern auf Raten - Im Rahmen der internationalen Ausweitung von Finanzmärkten hatten Mikrokredite die Hoffnung geweckt, die Armut im „globalen Süden“ einzudämmen und Frauen zu emanzipieren. Doch leider ist keine positive Wirkung der Mikrofinanz nachzuweisen, im Gegenteil: Die Disziplinierung der Armen und die Abschöpfung von Mehrwert haben zugenommen. Zudem hat der Mikrofinanzsektor eine Reihe verheerender Krisen ausgelöst. Unser Autor erklärt, warum wir nicht mit mehr Schulden mehr soziale Gerechtigkeit schaffen werden.

Die Mikrofinanzindustrie arbeitet transnational, ist immer enger mit den traditionellen Finanzmärk- ten verwoben und bringt Kapital von Geberorganisa- tionen und Investoren in die entlegensten Winkel der Weltwirtschaft. Doch leider stehen den entwicklungs- politischen Hoffnungen, die in sie gesetzt werden, bis heute keine nachhaltigen Veränderungen im Sinne der Armutsreduktion gegenüber. Eine Reihe von groß angelegten Studien konnte in den letzten Jahren kei- ne Verbesserungen der Lebensumstände und sogar nur geringfügig mehr Unternehmertätigkeit der Ar- men nachweisen. Die Armen arbeiten demnach zwar etwas härter, verdienen aber nicht mehr, wenn sie ei- nen Mikrokredit haben.

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

SLAVOJ ZIZEK: US-HAUSHALTSSTREIT - Jetzt wissen wir endlich, wer John Galt ist! - Haushaltsstreit, die Tiraden der Tea Party und der Kampf gegen Obamas Gesundheitsreform: In den Vereinigten Staaten ist die Macht der Ideologie so groß wie seit Langem nicht mehr.

Nehmen wir ein Beispiel. Der Manager eines Unternehmens, das sich in einer Krise befindet, besitzt die "Freiheit", Arbeiter A oder B zu entlassen; doch die Freiheit, jene Lage zu verändern, die ihm diese Wahl aufzwingt, besitzt er nicht. Vor dem Hintergrund dieses Beispiels erscheint auch die Debatte über die Gesundheitsfürsorge und die Frage der "Wahlfreiheit" in neuem Licht. Es ist wahr, dass ein großer Teil der Bevölkerung durch die staatliche Gesundheitsfürsorge in der Tat von der zweifelhaften "Freiheit" entbunden wird, sich darum Gedanken zu machen, wer im Fall einer Krankheit die Heilungskosten finanziert. Das hat einen Vorteil: Indem die Menschen sich auf eine Gesundheitsfürsorge verlassen können und darauf genau so zählen dürfen, wie sie auch auf Wasser- und Stromversorgung zählen dürfen, ohne eine bestimmte Wasser- oder Elektrizitätsgesellschaft auswählen zu müssen, werden sie ganz einfach mehr Zeit gewinnen, um ihr Leben anderen Dingen zu widmen.

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Paul Krugman: Gambling with Civilization

Nordhaus is, of course, aware of this, but I think downplays just how bad things are. He notes that the book The Greatest Hoax: How the Global Warming Conspiracy Threatens Your Future was written by “a US senator”; he doesn’t point out that the senator in question, James Inhofe, was the chairman of the Senate Committee on Environment and Public Works from 2003 to 2007, and that someone with similar views will probably take that position if Republicans regain the Senate next year. He tells us that a manifesto titled “Cap and Trade—Taxing Our Way to Bankruptcy” came from “an advocacy group,” but doesn’t point out that this advocacy group, the Heartland Foundation, is a lavishly financed enterprise largely devoted to promoting climate science denial; it’s secretive about its funding, but appears to be backed both by major corporations and by wealthy individuals. The point is that there’s real power behind the opposition to any kind of climate action—power that warps the debate both by denying climate science and by exaggerating the costs of pollution abatement. And this isn’t the kind of power that can be moved by calm, rational argument.

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Horst Schneider: Im Gespräch: Inge Hannemann, freigestellte Job-Center-Mitarbeiterin und Whistleblowerin. Sie wird uns erklären wie es hinter den Kulissen in den Jobcentern zugeht. Sie kennt sich aus! Cornelia Kerth, Sozialwissenschaftlerin und Lehrerin, Bundesvorsitzende der VVN/BDA und Mitbegründerin der WASG 2005 in Hamburg und Horst Schneider, Sozialpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. – BV Altona - am 06.11.2013 im ViaCafélier in der Paul-Dessau-Straße 6 (neben dem 25-Stunden-Hotel)


Zum Hintergrund: Inge Hannemann: Auszüge aus taz.de von Gina Bucher Sie ist zurzeit freigestellte Mitarbeiterin im Job-Center Altona. Hier betreute sie seit 2006 „schwer vermittelbare“ Jugendliche, davor arbeitete sie in einem baden-württembergischen Jobcenter, noch früher als Speditionskauffrau, Dozentin in der Erwachsenenbildung und Fachjournalistin. Freigestellt ist sie, seit im April ihre Kritik am System Hartz IV allzu laut wurde. Weil sie zum Beispiel behauptet, dass die 1-Euro-Jobs Ausbeuterjobs sind“, konkretisiert Inge Hannemann. Kritik, die sie nie verheimlichte, die sie aber auch nicht zurücknehmen wollte, als sie vom Arbeitgeber dazu aufgefordert wurde. Im April 2011 fing die Arbeitsvermittlerin an, nach Feierabend harmlose Beiträge über Hartz IV und Arbeitsrecht, aber auch über persönliche Vorlieben zu schreiben. Ein Jahr später startete sie „altonabloggt“, ein offen kritisches Blog zu Hartz IV und den Missständen in den Jobcentern – natürlich steht im Impressum deutlich ihr Name. Im Februar 2013 veröffentlichte sie dort einen Brandbrief an die Bundesagentur für Arbeit, indem sie die Besonderheit ihrer Position als interne Kritikerin nutzte, um entschieden auf ein Ende der Sanktionspraxis von Hartz IV hinzuwirken. Ihr Ziel ist die Wiedereinrichtung eines nicht antastbaren Existenzminimums und die Rückkehr zu einer Arbeitsvermittlung auf Augenhöhe. Ihr Engagement ist die logische Fortführung ihres bisherigen Lebens: „Ich bin keine Märtyrerin, ich bin einfach damit aufgewachsen, dass wir Demokratie und einen Rechtsstaat haben, wofür es sich zu kämpfen lohnt.“ Cornelia Kerth: Ihr Motto: "Jedes Volk, jeder einzelne hat ein Recht auf die Güter der Welt!" Flugblatt der Weißen Rose, Januar 1943 Von Beruf ist sie ist Sozialwissenschaftlerin und Lehrerin. Außerdem Bundesvorsitzende der VVN/BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bunds der Antifaschisten). 2005 gehörte sie zu den GründerInnen der WASG in Hamburg. In der Schüler- und Studentenbewegung und in der Mobilisierung gegen den Krieg in Vietnam Ende der 1960er Jahre wurde sie politisch aktiv. Seitdem hat sie sich mit den Grundlagen einer ungerechten Weltwirtschaftsordnung beschäftigt, die weltweit immer mehr Menschen ins Elend stürzt. Um dies zu ändern wurde sie zunächst Mitglied der SPD. Die rot-grüne Kriegspolitik gegen Jugoslawien war der letzte Grund für ihren Austritt. Als die neoliberale Politik auch sozialdemokratischer Regierungen europaweit zum Erstarken neofaschistischer und rechtspopulistischer Kräfte geführt hatte, wurde deutlich, wie notwendig es ist, den Interessen der arbeitenden und arbeitslosen Menschen wieder Gehör zu verschaffen. Deshalb wurde sie 2005 Mitglied der WASG und dann der LINKEN. Durch ihre Arbeit im Bildungs- und Sozialbereich hat sie die Veränderungen durch die Hartz-Gesetze und ihre katastrophale Wirkung für alle Betroffenen hautnah erlebt. Zurzeit arbeitet sie in der Beratungsstelle des Landesvereins der Sinti.


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Samstag, 19. Oktober 2013

Marcus Jauer: Waldsterben - Die Natur der Hysterie - Als es vor dreißig Jahren hieß, der Wald werde sterben, erfasste großer Aktionismus das Land. Doch die Vorhersagen einer ökologischen Apokalypse traten nicht ein. Waren sie falsch? Oder verhinderten sie, was sie ankündigten?

Sein Satz von den Wäldern, die in fünf Jahren verschwunden sein werden, fehlte anfangs in kaum einem der Berichte zum Waldsterben. Natürlich meldeten sich andere Wissenschaftler, wie der Münchner Forstbotaniker Peter Schütt, der glaubte, in Sachen Wald „sitzt uns das Messer an der Kehle“. Natürlich kamen Reporter, die ins Erzgebirge fuhren und schrieben, dort sehe es aus, „wie in Vietnam, als die Amerikaner Agent Orange vom Himmel warfen“. Natürlich kamen Politiker wie der Sozialdemokrat Freimut Duve, der fand, Deutschland stehe „vor einem ökologischen Holocaust“. Natürlich wollte die Bürokratie nicht zurückstehen wie das Bundesinnenministerium, das 1984 an alle deutschen Haushalte Päckchen mit Rotfichtensamen verschickte, weil der Kampf gegen das Waldsterben mit dem Pflanzen eines neuen Baumes beginne. Natürlich waren das Übertreibungen. Aber sie bezogen sich letztlich alle auf den Mann, der sich dafür entschieden hatte, nicht nur der Experte zu sein, der das Komplizierte einfach macht, sondern auch der, der das Handeln erzwingt. Reduktion und Alarmismus - daraus entsteht Hysterie.

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André Kaminski: Nächstes Jahr in Jerusalem. Roman - Ausschnitt (S. 128-129)

Wenn Juden den Wohnsitz wechseln, haben sie ihre Gründe, und zwar zwingende, denn theoretisch sind sie von einer geradezu religiösen Seßhaftigkeit. Es stimmt Zar, daß sie ein Nomadenvolk sind. Es heißt auch, daß sie rastlos durch die Welt wandern. Das ist ein bekanntes Klischee, aber mit der Erbsubstanz der Juden hat das wenig zu tun. Sie ziehen von einem Ort zum anderen, weil sie gejagt werden, weil man ihnen immer wieder den Boden unter den Füßen heiß macht. Das ist ihr historisches Unglück einerseits, ihre schicksalhafte Chance andererseits. Ob sie es wollen oder nicht. Sie müssen vergleichen. Sie sehen die Welt von hinten und von vorne. Zuerst aus der Perspektive des hoffnungsvoll Ankommenden und dann des enttäuscht Wegreisenden. Sie haben nicht die Zeit, sich an etwas zu gewöhnen - geistig träge zu werden. Sie sind stets auf der Flucht. Man nötigt sie, die Gegenstände aneinander zu messen, abzuwägen. Auch Begriffe und Ideen haben keine Gelegenheit, kalt zu werden und zu erstarren. Immer wieder müssen sie in Frage gestellt werden, denn was an einem Ort richtig war, wird am anderen falsch. Was gestern gut schien, ist heute schlecht. Unsere Wanderschaft zwingt uns zum Nachdenken, unsere Furcht macht uns schlau. Schauen Sie uns einmal genau an! Wir haben eine besondere Art, mit dem Kopf zu wackeln, womit wir ausdrücken, daß man zu einem Problem ja sagen kann und nein. Wir reden mit den Händen. Wir pflegen die Handfläche einmal nach oben zu drehen und einmal nach unten. Dabei ziehen wir die Augenbrauen hoch, als wollten wir sagen, daß es so schlecht und anders auch nicht gut sei.
Ich sagte, wir seien von einer geradezu religiösen Seßhaftigkeit. Damit wollte ich andeuten, daß Bewegung unser Weg und Ruhe unser Ziel ist. Sie wissen vielleicht, daß wir uns beim Abschied hoffnungsvoll zuwünschen: »Nächstes Jahr in Jerusalem!« Damit  bitten wir den Allmächtigen um das Ende unserer qualvollen Reise. Um den Schluß unserer Flucht und die Ankunft im sicheren Hafen der Bewegungslosigkeit. 
Aus: André Kaminski: Nächstes Jahr in Jerusalem. Roman, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988, 392 Seiten

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Steffen Roski: Widersprüche bei Occupy Hamburg




Für AM und MD

Vorbemerkung

Wenn in diesem Text von „Occupy Hamburg“ die Rede ist, so könnte der Eindruck entstehen, es handele sich um eine Bewegung, deren politische Äußerungen stets koordiniert und abgestimmt wären. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Occupy generell und so auch Occupy Hamburg lässt sich nicht auf einen Nenner bringen. Wenn also in diesem Text von „Widersprüchen“ die Rede ist, so handelt es sich damit um gewisse mich irritierende individuelle Meinungen. Dass diese allerdings kollektive Wirkungen zeitigen können, ist gerade das Problem!

Proteste am Bosporus, Aufstände in Chile, Mexiko und Brasilien, restaurative Tendenzen in den Ländern des „Arabischen Frühlings“, eine nominelle „Linke Mehrheit“ nach den Wahlen in der BRD – man könnte geneigt sein, einer Renaissance von Occupy entgegenzusehen. Tatsächlich besteht in Hamburg ein „Protestcamp“, das, folgt man den dort ausgegebenen Verlautbarungen, Teil der globalen Occupy-Bewegung sein will.

Dass Anspruch und Realität gelegentlich auseinanderklaffen, ist nichts Neues. Millionen Konsument_innen können Erfahrungen dieser Art nach dem Besuch von Konsummeilen und Shopping-Malls immer wieder sammeln. Untersuchungen der Konsumforschung zeigen auf, dass ein Kaufakt mit Anspruch auf Glückserfüllung oft schon nach seinem Vollzug den „Post-Decisional Regret“ nach sich zieht. Wenn allerdings selbst gesetzte Ziele und deren Konkretion innerhalb einer sich „kapitalismuskritisch“ gerierenden Bewegung wie „Occupy Hamburg“ meilenweit auseinanderklaffen, sollte dies zu denken geben. Im Folgenden möchte ich aus einer zugegebenermaßen rein subjektiven Perspektive einige Widersprüche bei Occupy Hamburg benennen, um abschließend, im Sinne einer Negation der Negation, dann doch so etwas wie Zukunftsperspektiven aufzeigen zu wollen.

„Occupy ist weder links noch rechts“

Die rhetorische Figur, Occupy sei dem Rechts-Links-Schema enthoben, habe ich während meiner Zeit als Occupy-Campist des Öfteren vernehmen müssen. Ich kann diese Äußerung entweder nur als Ausdruck eines Theoriedefizits oder aber als geschickte Verschleierungsformel für ganz andere politische Absichten lesen. Fangen wir beim Theoriedefizit an. Meine Erwartung an ein Occupy-Protestcamp geht nicht dahin, dass dort Marxeologie betrieben werden sollte. Die Exegese Marxscher oder marxistischer Texte, womöglich angeleitet durch graubärtige alte Herren der so genannten „68er-Bewegung“, ist nun wirklich nicht das, was ich unter einer sinnvollen Form des Theorieimports begreifen mag. Doch gehört zu einer Protesthaltung eben schon eine politische Haltung, die klar und deutlich definiert sein will. Ich nenne mal einige Punkte, die nach meinem Verständnis unbedingt dazugehören sollten:

  • Rassismus und Faschismus sind keine Meinung, keine Denkmöglichkeit – sie stellen ein Verbrechen dar!
  • Gewalt und Macht sind gesellschaftliche Phänomene, die strukturell endemisch sind. Gewalt und Macht äußern sich in konkreten sozialen Feldern, sind als symbolisch und sprachlich vermittelte Dispositive in den Gewalt und macht ausübenden Akteuren körperlich inkorporiert, was an deren Habitus sichtbar ist.
  • Die kapitalistische Akkumulation stellt die elaborierteste Form struktureller Macht und Gewalt dar. Kapitalismus tötet – tagtäglich und in vielerlei Gewand.
  • Der Staat (öffentliche Verwaltung, Parlamente) bezieht sich in seinem Handeln auf die Imperative und Bedürfnisse kapitalistischer Akkumulation, um die Reproduktion kapitalistischer Existenzbedingungen sicherzustellen und weitere Ressourcen anzuhäufen.
  • Das Mediensystem gibt den Verwertungsinteressen des Kapitals bevorzugt Ausdruck (Werbung, Schleichwerbung, Massenbeeinflussung).
  • Konzerne organisieren Meinungs- und Durchsetzungsmacht über die Instrumentalisierung von Stiftungen,Think-Tanks sowie von Lobbyisten und Lobbygruppen.
  • Die Anlalyse gegenwärtiger kapitalistischer Akkumulationsregime sollte ein positives Gesellschaftsbild spiegeln: Eine Gesellschaft der Freien jenseits nationalstaatlicher oder gar nationalistischer Borniertheiten, die sich selbst organisiert mit Menschen, die sich in freier Assoziation in herrschaftsfreie Aktionsräume begeben und dort ein Leben außerhalb der Sphären von Markt und Staat gestalten wollen.

Ja, diese Liste könnte noch länger sein. Sie stellt für mich allerdings sehr konkret ein linkes Projekt dar! Wer von Occupy Hamburg mit dieser Auflistung leben kann, wird schwerlich behaupten können, sich jenseits von Links und Rechts verorten zu können. Occupy ist ein linkes Projekt. Ich jedenfalls verstehe dies so!

Occupy Hamburg und neonazistische Einflüsse

Die Formel „Weder links noch rechts“ dient allerdings manchen Personen bei Occupy Hamburg zur Verschleierung ganz anderer politischer Absichten. Im Camp lagen und liegen dann und wann auch gegenwärtig noch Broschüren aus, in den plakativ für eine „Staatenlosigkeit“ geworben wird. Was steckt dahinter? Nun, die These ist einfach diese, dass die BRD und die ihr nachgeordneten Behörden kein Staat, sondern lediglich ein Netz aus gewerblichen Handelsunternehmungen sei. Nachlesen könne man dies im Internet, wo die BRD mit ihren verschiedenen „Töchtern“ (Behörden, Gerichte etc.) in den einschlägigen Handelsregistern eingetragen sei. Wer einen Personalausweis besitze, sei nun nicht etwa Staatsbürger, sondern viel mehr „Bürge“, eine Angestellte oder ein Angestellter der „BRD GmbH“. Wem ist dann aber die „BRD GmbH“ vertraglich verpflichtet? Die im Camp erteilte Antwort: Da es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen regulären Friedensvertrag gegeben habe, sei die „BRD GmbH“ nichts anderes ein Kolonialterritorium der „alliierten Siegermächte“, wir alle also für die alliierte Politik – vor allem wohl für die Politik der USA – Haftende. Man muss noch genauer hinschauen, um das hinter diesen Scheinargumenten steckende Kalkül zu entlarven.

Ich hatte mir die Mühe gemacht und mich auf eine Veranstaltung dieser mit einem „Blauen Punkt“ werbenden Gruppierung begeben. In dem Raum befanden sich gut 50 Leute, darunter solche, die bereits nach erstem Augenschein obskur wirkten. Sehen so NPD-Veranstaltungen aus? Und: Bist du jetzt zum ersten Mal in deinem Leben auf eine Veranstaltung der äußersten Rechten gelandet? Das waren die Fragen, die mich sofort umgetrieben hatten.

Der wohl bewusst verspätet eingetroffene Referent entschuldigte sich mit dem Hinweis, eine Panne gehabt zu haben. Sein Wagen habe einen Ölwechsel benötigt. Und was musste der Nazi-Redner an der Tankstelle zahlen: 10 € für die entsprechende Ölration. Und wer steckt hinter dieser Ölpreispolitik? Natürlich – ich paraphrasiere den Redner: In den USA zu lokalisierende zionistische Geschäftemacher, deren unbarmherzigem Preisdiktat der dumme deutsche Verbraucher hilflos ausgeliefert sei.

Was dann zunächst folgte war das, was ich bereits aus den im Camp von Occupy Hamburg herumliegenden Broschüren entnommen habe. Ein Durchgang durch das Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts von der Gründung des Deutschen Reichs bis in die BRD-Gegenwart mit dem üblichen Basso Continuo: Seit dem Vorabend zum Ersten Weltkrieg sei Deutschland so etwas wie kolonialistischer Annex gewisser in den USA situierter Finanzkapitalisten. Doch die ungeheuerliche Pointe dieses demagogischen Geschwafels sollte noch folgen.

Einem Teilnehmer dieser Veranstaltung fiel eine recht eigenartige Schreibweise des Wortes „Nazi“ auf. In den Publikationen dieser Staatenlosen-Gruppierungen liest sich das Wort nämlich so: „NaZi“. Was es damit auf sich habe, wollte der Fragesteller wissen. Und was dann vom Referenten kam, war derart erschreckend für mich, dass ich mich dazu veranlasst sah, kurz darauf die Veranstaltung zu verlassen. Jeder kennt das John Heartfield-Plakat: Hitler, den obligaten Gruß entrichtend, wird von einem nadelbestreiften Arm ein Bündel Bares in die nach hinten gereckte Hand gesteckt. Der Grafiker wollte aufmerksam machen auf den massiven Sukkurs, den Hitler und die Nazipartei von Seiten des Großkapitals erhalten hatten. Es sollte damit ausgedrückt werden, was der Historiker Eric Hobsbawm einmal so eloquent wie gültig formulierte:
„[Das] wirkliche Großunternehmertum [kommt] mit jeder Art von Regime zurecht, das nicht zu Enteignungsmaßnahmen greift, und […] jedes Regime [muss] mit dem Großunternehmertum zurechtkommen.“

Und was macht dieser verquaste politische Dampfplauderer vom „Blauen Punkt“ daraus: Ja, so paraphrasiere ich, Hitler habe Geld vom Großkapital erhalten, aber - und dies lasse man sich auf der Zunge zergehen, um danach ins nächste Gesträuch zu kotzen – es habe sich eben um „zionistisches“ Kapital gehandelt, der „Führer“ sei somit eine Marionette zionistischer Juden gewesen. Aber es kommt noch dicker: Wenn dies so gewesen sei, dann wäre ja auch – wenn man die Argumentationslogik dieses Verbalschmierfinks zu Ende denkt – der Holocaust, die Shoa, letztendlich nichts anderes als ein Genozid von „NaZis“, die im zionistischen Auftrag nicht-zionistische Juden umgebracht hätten.

Im Klartext: Bei diesen so genannten „Staatenlosen“ handelt es um Holocaustleugner, die dies allerdings so geschickt zu insinuieren wissen, dass ihnen strafrechtlich leider wohl nur schwer beizukommen sein wird.

Was hat all dies nun mit Occupy Hamburg zu tun? Nun, nichts mit der Occupy-Bewegung in Gänze, wohl aber mit einigen Personen, die sich im Camp von Occupy Hamburg festgesetzt haben. Ich vernahm diese Art Rede im Camp von Occupy Hamburg des Öfteren: „Hey, hört doch auf mit diesem deutschen Schuldgerede, das sind irgendwelche linke Einflüsterungen, um Occupy zu spalten. Wir haben doch mit dem, was da in der Vergangenheit passiert war, nichts zu tun.“ - Dies ist kein wörtliches Zitat, gibt aber den Sprachgebrauch einiger Meinungs-„Führer“ angemessen wieder. Und hier liegt denn auch die zweite Bedeutung des Satzes „Occupy ist weder links noch rechts“ verborgen. Ich sprach eingangs von einer geschickten Verschleierungsformel für ganz andere politische Absichten. Ich spreche es klar aus: Es gibt Personen bei Occupy Hamburg, die in subtiler Weise rechte, nazistische Gedanken nicht nur hegen, sondern diese auf sehr geschickte Weise auch im Camp verbreiten.

Zukunftsperspektiven

Welche politischen Chancen hat angesichts dieser Momentaufnahmen das Projekt „Occupy Hamburg“ noch? Ich will nur zwei Punkte nennen:

  • Es reicht nicht, das Hamburger Occupy-Camp als politästhetische „soziale Plastik“ jenseits von Links und Rechts zu begreifen. Nur ein klares Selbstverständnis als aktiver Teil einer dezidiert linken Gegenbewegung zum neoliberalen und kapitalistischen Mainstream wird ein hinreichend geschärftes politisches Bewusstsein schaffen können.
  • Negativ muss daraus folgen: Klare Abgrenzung gegen jedwede rassistische und nazistische Positionen mit der Konsequenz, jene des Camps zu verweisen, die solche Gedanken – wie subtil und verschleiernd auch immer – verbreiten.

Ob eine solche politische Abklärung den im Camp verbliebenen Aktivist_innen gelingen wird, sei dahingestellt. Immerhin habe ich in meiner Zeit im Protestcamp von Occupy Hamburg Menschen kennen, lieben und schätzen gelernt, die über klare und unzweifelhafte politische Standpunkte verfügen. Zwei von ihnen habe ich diesen Text gewidmet. Dass es mehr als nur zwei Hoffnungsträger_innen gibt, ist mir schon klar. Andere allerdings müssten sich ebenfalls dazu aufraffen, sowohl der schleichenden Entpolitisierung wie auch dem Abdriften von Teilen der Hamburger Occupy-Szene nach rechts etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen!


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Sonntag, 13. Oktober 2013

Steffen Roski: E-Mail an das Restaurant "Deutsches Haus" in Paderborn

Sehr geehrte Damen und Herren

Am vergangenen Mittwoch war ich gemeinsam mit meiner Mutter, ihrem Lebensgefährten und meinem Sohn zu Gast im "Deutschen Haus". Mit Befremden musste ich feststellen, dass sich auf der Speisekarte des Restaurants u.a. das Menü "Zigeunerschnitzel" befand.

M.E. ist der Menütitel "Zigeunerschnitzel" völlig inakzeptabel, zumal in einer Lokalität namens "Deutsches Haus". Vielleicht nehmen Sie einmal folgende Literaturangabe zur Kenntnis:

Michael Zimmermann: Die nationalsozialistische "Lösung der Zigeunerfrage", in: Ulrich Herbert (Hrsg.): Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939-1945. Neuere Forschungen und Kontroversen. Frankfurt am Main: Fischer, 1998, S. 235 ff.

Ich möchte Sie dazu auffordern, dringend über eine Revision Ihrer Speisebenennung nachzudenken!

Mit freundlichen Grüßen


Steffen Roski

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Svenja Staudt: Beispiele und Erfahrungen interkommunaler Zusammenarbeit im Kreis Offenbach - Diplomarbeit

Jede Kommune hat grundsätzlich das Recht auf Zusammenarbeit. In der HGO und dem KGG werden konkrete Grundlagen für eine interkommunale Zusammenarbeit formuliert. Nach den einschlägigen Landesgesetzen besteht bei der Organisation der kommunalen Zusammenarbeit Wahlfreiheit. Demnach dürfen sowohl Formen des öffentlichen als auch des privaten Rechts gewählt werden. Die formellen Strukturen haben den Vorteil der größeren Verbindlichkeit, die vor allem bei Projekten mit längerfristiger finanzieller Bindung oder bei der Beantragung von Fördermitteln notwendig ist. Die vielfältigen informellen Kooperationsmöglichkeiten basieren nicht auf einer unmittelbaren gesetzlichen Grundlage. Sie tragen jedoch dazu bei, eventuelle Vorbehalte gegenüber interkommunaler Zusammenarbeit abzubauen, Akzeptanz bei den verantwortlichen Akteuren zu schaffen und die Kooperation auf eine breite Basis der Zustimmung zu stellen. Die Wahl der Organisationsform ist daher abhängig vom jeweiligen Kooperationsgegenstand. Eine Rolle spielen dabei beispielsweise die Zusammensetzung der Partner, die Finanz- und Verwaltungskraft, der Aufgabenumfang, die Größenordnung des Projektes und die angestrebte Zielsetzung.56 Die Bandbreite der möglichen Organisationsformen bietet den zusammenarbeitenden Kommunen die Chance, die für sie entsprechende Gestaltungsform auszuwählen. Im Vergleich von privaten Formen zu öffentlich-rechtlichen Formen sowie formellen zu informellen Möglichkeiten kann keine Organisationsform als „besser“ bzw. „schlechter“ bewertet werden. Es lässt sich vielmehr eine Ambivalenz feststellen.57 Oft werden in der Praxis unreflektiert unterschiedliche Formen interkommunaler Zusammenarbeit gleichzeitig eingesetzt. Wenn die Instrumente aufeinander abgestimmt sind, keine unnötigen Parallelstrukturen geschaffen und zudem die jeweiligen Vorteile einer Form ausgeschöpft werden, erweist sich ein solcher Mix aus Organisationsformen als sinnvoll.58

Kommentar der "ag 'du bist bertelsmann'": Es würde sich lohnen, diese neue Welle genauer zu untersuchen, Effizienz, Zusammenschaltung von Kontrolle (Polizei)  und Bürger-Engagement und ähnliche Formierungen von Sicherheitspartnerschaften. Offiziell wird anscheinend auf den "demographischen Wandel", also weniger Leute auf dem flachen Land reagiert. Sollte man sich näher anschauen.

Kommentar von Steffen Roski: Ein Forschungsgesichtspunkt könnte sein: Untersuche das Verhältnis zwischen "Kooperation" und "Korruption" ...

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Sonntag, 6. Oktober 2013

Jens Wernicke: Neue Rhetorik macht Bildungsreform-Versprechen nicht besser - Didaktikprofessor Jochen Krautz über aktuelle "Bildungsreformen" und die katastrophale Situation im Bildungsbereich

Beim "selbstgesteuerten Lernen" hören wir an der Oberfläche Selbstständigkeit und damit verbunden Mündigkeit, Kritikfähigkeit, Verantwortlichkeit etc. Also alles Ziele, die man gut teilen kann. Wie aber soll das erreicht werden? Die Protagonisten mit ihren "Modellschulen" zeigen es: In großraumbüroähnlichen "Lernateliers" sitzen die Schüler an einzelnen Arbeitsplätzen und arbeiten ihre Arbeitsblätter nach Wochenplänen ab. Es gibt Computer für jeden und jeden Tag einen "Input" vom "Lerncoach", so heißen dann die Lehrer. Die seien nun vor allem "Lernbegleiter", und üben also, so die unterschwellige Botschaft, nicht mehr normierenden Zwang im "Frontalunterricht" aus. All das führt aber nicht notwendig zu wirklicher Selbstständigkeit, sondern in der Situation real existierender öffentlicher Schulen viel eher in ein Setting aus Verwahrlosung und modernisierter Selbststeuerung, was so ziemlich das Gegenteil von Selbstständigkeit darstellt. Denn die Schüler arbeiten nach wie vor nach von außen gesetzten Vorgaben. Sie bewerten sich nun aber selbst, indem sie ihre "Kompetenzen" in Raster eintragen, womit sie die ihnen von außen vorgegebene Bewertung jedoch nur selbst nachvollziehen. Herrschaft verschwindet also nicht, sondern wird vielmehr unsichtbar gemacht und von den Kindern und Jugendlichen, denen man das dann als "Freiheit" verkauft, schlicht internalisiert. Die Parallele zur ökonomischen Ich-AG liegt gut auf der Hand. Die Bildungsteilnehmenden werden hier, so will es scheinen, mehr und mehr zum modernen "Selbstunternehmer ihrer Bildung" gemacht; der ist dann aber auch für alles selbst verantwortlich etc. Diese Selbstverantwortungsrhetorik, die den Sozialstaatsabbau funktionell flankierte, ist Ihnen ja hinlänglich bekannt und von Foucault früh analysiert worden.

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Silvio Duwe: Wir haben da mal was vorbereitet - Noch bevor die Koalitionsverhandlungen begonnen haben, stellt die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ihr Reformprogramm für die künftige Regierung vor

Auch die Gesundheitsversorgung wird von der INSM nicht verschont. Bis zum Jahr 2060 würden sich die Gesundheitsausgaben um 85 Prozent, die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bei gleichbleibendem Beitragssatz aber nur um 35 Prozent erhöhen, orakelt das Reformpapier. Um Defizite zu vermeiden, müsse der Beitragssatz deshalb bis 2060 auf 21 Prozent steigen, was die Arbeitskosten erhöhen und Arbeitsplätze bedrohen würde. Deshalb sollen die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung von den Arbeitskosten entkoppelt und Zusatzbeiträge eingeführt werden. Diese sollen die künftigen Beitragssatzerhöhungen ersetzen und von jeder Krankenkasse individuell festgelegt werden. Die Zahl "unnötiger" Arztbesuche soll über die Wiedereinführung der Praxisgebühr gesenkt werden. Im Gegensatz zum alten Modell soll jedoch jeder Arztbesuch eine Gebühr kosten, wobei es Ausnahmen für chronisch Kranke geben soll. Die kostenfreie Mitversicherung von Ehegatten und Lebenspartnern soll gestrichen werden. Bei der Pflegeversicherung tritt die INSM ebenfalls für eine Leistungskürzung ein. Die Bürger sollen stattdessen mit einer privaten Pflegeversicherung vorsorgen. Der Pflege-Bahr reiche nicht aus.

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Erika Vögeli: Die Vermittlung von Bildung als Bürgerrecht – Die Heranbildung verantwortungsbewusster Staatsbürger

Viele und vor allem erfahrene Lehrer sind der Meinung, dass all diese Reformen nur dazu geführt haben, dass ein ruhiges Lernen im Klassenverband und die Bildung einer echten Klassengemeinschaft irgendwo von oben nicht mehr gewollt sind – mit ehrlicher Begründung hat sich ja bislang niemand in ein Lehrerzimmer gewagt –, mit allen Konsequenzen für die emotionale Seite von Schule und Lernen und für die Demokratie. Die erfahrenen Lehrer beklagen, dass die Kinder kein solides Grundwissen mehr erhalten und viel zuwenig auf das Berufsleben, geschweige denn auf ihre staatsbürgerliche Aufgabe in der Demokratie vorbereitet werden. Die angeblich wegen der Globalisierung für die Wirtschaft notwendigen «Reformen» dienen also der Realwirtschaft keineswegs, und sie versäumen eine der wichtigsten Aufgaben der Volksschule in einem demokratischen Staat: die Vermittlung von Bildung als Bürgerrecht und die Heranbildung verantwortungsbewusster Staatsbürger.

Kommentar von Willy H. Wahl (senior.org): Die Einführung ständig neuer Methoden und Lehrmittel und eines administrativen Aufwandes, der vielerorts ein echtes pädagogisches Nachdenken verdrängt hat, haben die Schule zu einem Gebilde gemacht, das mit Recht nun mit der Finanzblase aus Schrottpapieren verglichen werden muss. Die Initiatoren – USA, EU und OECD mit dem «Bertelsmann-Pflug» vorne dran – freuen sich offensichtlich am Erfolg.

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Dienstag, 1. Oktober 2013

DAVID ROVICS: An Open Letter to the German Left - The Antideutsch and Me

The Antideutsch movement started splitting almost as soon as it came into existence. Some of the more bizarre tendencies to emerge include those who supported the US-led war in Iraq, on the basis that Israel supported it, so it must be good. Other elements of the movement proclaimed that although they considered themselves to be communist, they were opposed to criticism of capitalism, on the basis that criticizing capitalism was a veiled form of anti-Semitism (since apparently everyone knows that when your average anti-capitalist says “banker” they really mean “Jewish banker”). While it may be easy to ridicule and dismiss some of the stranger offshoots of the Antideutsch, the thing they all continue to agree on is the importance of uncritically supporting the state of Israel. There also seems to be a general agreement on the principle that any serious criticism of the state of Israel must be actively opposed and denounced as anti-Semitic and fascistic. By pushing this line throughout Germany, throughout the German Left and elsewhere in German society, the Antideutsch are essentially demanding that Germans, and anyone else in Germany, such as Palestinian refugees or anti-Zionist Jews from New York (like me), must take sides. They must either declare their unflinching allegiance to the state of Israel, or they must admit to being anti-Semites. They must avoid being involved with events that include someone who is critical of Israel, or risk allegations of anti-Semitism, smashed windows, beatings, and so on. There is no room for debate, no room for being on the sidelines or not taking a position on this issue, they say. You are either with us or you’re an anti-Semite.

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

Hans-Jürgen Urban: Arbeiterbewegung heute - Wandel der Arbeit – Wandel der Bewegung

Die finanzmarktorientierte Restrukturierung der Unternehmen und die Deregulierung wohlfahrtsstaatlicher Sicherungssysteme sind wesentliche Treiber der Prekarisierung von Arbeit, die einen konstitutiven Trend des Gegenwartskapitalismus darstellt. Die Folgen sind Verluste an sozialen Sicherheiten und neue Spaltungen unter den Lohnabhängigen. Eine gewerkschaftliche Politik der Entprekarisierung hat dabei anzuerkennen, dass die unbefristete Vollzeitbeschäftigung über das ganze Erwerbsleben hinweg nicht mehr für alle Beschäftigten eine erstrebenswerte Norm darstellt. Arbeits- und Lebensformen jenseits der Normalerwerbsbiografie werden mitunter auch als willkommene Optionen wahrgenommen. Die veränderten Erwartungen verlangen nach einem neuen Regime sozialer Sicherheit, das individuelle Handlungsspielräume bei unsteten Erwerbsverläufen eröffnet. Gefordert ist eine sozialstaatliche Neuordnung des Arbeitsmarktes inklusive eines Umbaus der Sozialversicherungen.[15] Unvermeidlich wäre dabei die Abkehr vom aktivierenden Arbeitsmarktsystem mit seinen reduzierten Lohnersatzleistungen und seinen repressiven Zumutbarkeitsregeln. Nicht minder wichtig ist jedoch die Öffnung gewerkschaftlicher Interessenpolitik für schutzbedürftige Arbeit in Form abhängiger Selbstständigkeit. Notwendig sind auch hier arbeitspolitische sowie arbeits- und sozialrechtliche Strategien. Vor allem muss sich das Selbstverständnis der Gewerkschaften verändern: von der Schutzorganisation der abhängig Beschäftigten zu einer Interessenorganisation der abhängig Arbeitenden – in allen sozialen Formen. Das ist ein Unterfangen, das an die Fundamente einer identitätsstiftenden Organisationskultur stößt und daher nicht einfach zu realisieren sein dürfte.

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