Samstag, 30. März 2019

Darf man den Bertelsmannkonzern einen 《schmierigen Rechtehändler》 nennen? Ist das eine antisemitisch eingefärbte Kritik?

Am 26. März 2019 habe ich auf Facebook einen Beitrag aus der FAZ weitergeleitet. Autor Carsten Germis berichtet dort über die Digitalstrategie des Bertelsmannkonzerns in der Wettbewerbssituation mit 《Google und Co.》Bezugnehmend auf die in dem FAZ-Beitrag zitierten Aussagen von Konzernchef Thomas Rabe kommentierte ich auf Facebook wie folgt: “《Die Produktion hochwertiger Inhalte ist für Konzernchef Rabe einer der Wettbewerbsvorteile von Bertelsmann gegenüber den globalen Tech-Plattformen.》Haha, this made my day. Bertelsmann, Qualität, Inhalte - wer findet den Fehler?” Wie das so ist und wie ich mir dies ja auch wünsche, entspann sich eine Diskussion über mein Posting. Miriam Gebhardt, Historikerin und Autorin für einen der Verlagsgruppe Random House (Bertelsmann) zugehörigen Verlage, entgegnete mir: 《DVA, Siedler, Manesse, etc., Da gibt's so einige Qualität.》 Darauf reagierte ich zugegebenermaßen etwas flapsig so: 《Eher eingekaufte Qualität. Bertelsmann ist nichts anderes als 1 schmieriger Rechtehändler.》Miriam Gebhardt wollte nun genauer wissen, was mit der Wendung 《schmieriger Rechtehändler》 gemeint ist und las aus meinen weiteren Einlassungen《die (antisemitisch eingefärbte) Kritik an modernene (sic!) Berufen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts heraus, von wegen raffendem Kapital u.s.w.》 Dieses habe sie stutzig gemacht.

Ich bin weit entfernt davon, rechthaberisch zu sein, möglicherweise würde ich die inkriminierte Wendung in einem differenzierten Text z.B. zum Wirken der Bertelsmann Stiftung so nicht verwenden. Dennoch: Miriam Gebhardts Vorwurf, hier etwas antisemitisch Eingefärbtes gepostet zu haben, bedarf der Entgegnung. Was also ist an dem Rechtehändler Bertelsmann 《schmierig》? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich folgende Punkte nennen:

  1. Wenn im hauseigenen Sender RTL sozialpornografische Fake-Dokumentationen laufen, in denen Hartz-IV-Bezieher der Lächerlichkeit preisgegeben werden und Bertelsmann mit den Lebensschicksalen armer Menschen Geld verdient, dann ist das: schmierig.
  2. Die Unternehmensgeschichte des Gütersloher Medienhauses ist eine durchaus schmierige: mit den Nazis wurde kollaboriert und die Wehrmacht mit militaristischen Schriften versorgt. Sich selbst vor diesem Hintergrund als 《Widerstandsverlag》zu titulieren, was ist das anderes als 《schmierig》? Mit knallharten Drückermethoden wurden in der BRD der Adenauer-Jahre Millionen in den Buchclub genötigt. Hier von einer transparenten Geschäftspolitik zu reden wäre glatt gelogen. Groß geworden ist Bertelsmann durch ein aggressives und eben: schmieriges Geschäftsgebaren.
  3. Thilo Sarrazins Rendement wäre ohne den Rechtehändler Bertelsmann so nicht denkbar. Sein 2010 bei Random House (Bertelsmann) erschienenes rassistisches Traktat 《Deutschland schafft sich ab》wäre ohne die massive mediale Orchestrierung durch 《Stern》 (Gruner + Jahr, Bertelsmann) und RTL-Sendungen (Bertelsmann) nicht das geworden, als was es heute gesehen werden muss: eine Art neurechtes Gründungsdokument nämlich. Wenn die konzerneigene Bertelsmann Stiftung dann Studien zum Thema Integration publiziert und sich Bertelsmann den Anschein von Progressivität verpassen will, dann nenne ich diese Diskrepanz von Schein und Sein - schmierig.
  4. Mit der von den Finanzbehörden als 《gemeinnützig》 anerkannten Bertelsmann Stiftung hat der Konzern ein raffiniertes Steuersparmodell kreiert. Mit ihren Expertisen dient sie dem Konzern als eine Art steuerlich subventionierter Forschungs- und Entwicklungsabteilung und berät zudem Ministerien und Regierungen in Bund und Ländern im Sinne der unternehmerischen Ziele des Bertelsmannkonzerns. Was unter der Fassade der Gemeinnützigkeit zu Tage tritt: Steuervermeidung, öffentlich subventionierte Einflussnahme, Lobbyismus - dies 《schmierig》 zu nennen, finde ich so abwegig nicht.
Noch Etwas zu Miriam Gebhardts Vorwurf, meine Kritik am Rechtehändler Bertelsmann sei antisemitisch eingefärbt. Ich finde es wichtig und notwendig, sich selbst immer wieder zu befragen: ist eine bestimmte Wortwahl angemessen, stimmt die Intention eines Texts oder haben sich, unterschwellig vielleicht, Tonalitäten eingeschlichen, die antisemitisch sind. Insoweit bin ich für Miriam Gebhardts kritischem Hinweis dankbar. Zu bedenken geben möchte ich allerdings dieses: Wenn auf deutschen Schreibtischen vielerlei Sticker herumliegen, auf denen das Wort 《Antisemitismus》 steht und diese Aufkleber sozusagen reflexhaft verteilt werden, dann zeigt dieses mir: Ja, leider, Antisemitismus ist in der BRD nicht überwunden - und ich möchte behaupten, er wird auch künftig nicht überwunden werden können. Es gibt ihn: rechts, in der sogenannten 《Mitte》 und auch links. Es gilt, ihn zu bekämpfen. Was mein Facebook-Posting angeht, rufe ich Miriam Gebhardt zu: das Wirken eines deutschen Medienhauses kritisch zu betrachten und herauszuarbeiten, was mir daran 《schmierig》 erscheint, hat keinerlei antisemitische Intention.

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.