"Doch so oder so neigen die Forschenden dazu, die erhobenen Daten so lange durchzurechnen, bis sie eine signifikante Aussage erhalten. Dann gilt also zum Beispiel in der Psychologie folgender Lehrsatz: Je umsichtiger der Raucher seinen Rauchstopp plant, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser gelingt. Oder: Rosenduft steigert die Gedächtnisleistung. Oder: Curry erhöht die kognitive Leistung des Gehirns bei älteren Menschen. Oder: Eltern von Töchtern haben ein höheres Scheidungsrisiko als Eltern von Söhnen. Oder ist es gerade umgekehrt?
Man merkt: Bei dieser Art von Forschung macht es zwar für den jungen Forscher und das ihn bewertende Forschungssystem einen Unterschied, ob er das erhoffte Resultat erzielt oder nicht. Wenn nicht, sitzt er ohne Ausbeute da und muss von vorn beginnen. Wenn ja, kann er sein Experiment vielleicht sogar in einem 'Top-Journal' veröffentlichten, was für seine Karriere unabdingbar ist. Die Publikation nämlich erhöht seine Chance, weitere Gelder zu erhalten. Eventuell avanciert er zu einem als 'exzellent' gelabelten Forscher, dessen Karriere weiter nach oben führt, sofern er weiterhin fleissig in dem tonangebenden Journals publiziert.
Doch im Grunde, nüchtern besehen, ist es völlig unerheblich, ob nun der Rosen- oder halt ein anderer Blumenduft welche Leistung auch immer steigert oder ob man nun eine vermüllte oder aufgeräumte Gegend was für Gedanken auch immer hervorruft. Man braucht nur einen Moment nachzudenken: Diese Forschung ist so inhasltsleer und realitätsfern, dass es gar nicht darauf ankommt, ob sie gefälscht ist oder nicht oder ob der p-Wert erreicht worden ist oder nicht. Es kommt in dieser Forschung auf gar nichts mehr an.
Da braucht man sich dann auch nicht zu wundern, dass hier Arbeiten manipuliert werden. Die Forschenden glauben wohl selbst nicht daran, dass ihre Resultate ausserhalb des wissenschaftlichen Qualifikationssystems irgendeine Relevanz haben. Sie liefern dem Wissenschaftsbetrieb, was sie ihm liefern müssen, um neue Gelder zu erhalten, mit denen sie neue Experimente durchführen und neue Papers fabrizieren können, die kaum jemand lesen mag. Der Konkurrenzdruck, der vor allem ein Publikationsdruck ist, erlaubt kein Innehalten. Möglichst viel muss der aufstrebende Forscher publizieren, möglichst schlagende Resultate - und all dies ohne Selbstzweifel."
Quelle: http://www.nzz.ch/wissenschaft/bildung/die-wissenschaft-bekaempft-den-betrug-und-foerdert-den-bluff-1.18454508
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