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Mittwoch, 29. April 2015

Klaus Bartels: Stichwort "Text"

Unsere 'Gedankenfabrik' - eine klappernde, ratternde Weberwerkstatt, ein Text wie dieses 'Stichwort' hier -, ein buntes Gewebe aus Kette und Schuss: Das handwerkliche Bild ist in der Spätantike aufgekommen und seither unter dem bildhaften Wort 'Text' so selbstverständlich geworden, dass wir das Bild im Wort gar nicht mehr wahrnehmen, dass wir unter einem 'Text' nichts weiter als eine Folge alphanumerischer Zeichen verstehen. So viele tausend Fäden ein Tritt da auch regt, so viele Verbindungen ein Schlag da auch schlägt: Zwischen den 'Texten', die der Werbetexter für die neue Sommetkollektion textet, und ebendiesen 'Textilien' schiesst in unserem Sprachzentrum kein flinkes Gedankenschifflein mehr hin und her."

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/text-1.18530848

Knut Henkel: Im Alter anders. Viele Einwanderer verbringen auch ihren Lebensabend in Deutschland - der Bedarf an kultursensibler Pflege nimmt daher rasch zu

In Hamburg ist das Diakoniewerk Tabea bisher die einzige Einrichtung mit zwei Wohngruppen, in denen türkische Senioren in ihrer Muttersprache umsorgt und wenn nötig gepflegt werden. In Berlin gibt es mit dem 'Türk Huzur Evi' schon seit 2006 ein türkisches Seniorenheim, wo es nicht nur Freitagsgebete und Kost ohne Schweinefleisch gibt, sondern etwa auch die Garantie, dass die Intimpflege nur von Personen des gleichen Geschlechts vorgenommen wird. Die Pioniere der interkulturellen Pflege sitzen allerdings in Duisburg. Das 1997 eröffnete 'Haus am Sandberg' war das erste Pflegeheim in Deutschland, das sich darauf einrichtete, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Alter besondere Bedürfnisse haben. Konzept und Bau des hellen Gebäudes mit grosszügigem Atrium wurden gemeinsam mit dem Forschungsprojekt 'Multikulturelles Seniorenheim' des Rhein-Ruhr-Instituts für Sozialforschung und Politikberatung entwickelt. Das Konzept 'basiert auf den Empfehlungen von zahlteichen Moschee-, Kultur- und Seniorenvereinen aus dem Ruhrgebiet und hat sich bewährt', sagt Ralf Krause. Der Heimleiter ear ebenfalls von Beginn weg in die Konzeption des Seniorenzentrums involviert. Im 'Sandberg' gibt es einen schmucken, gekachelten Gebetsraum, eine Küche, die auf die Essgewohnheiten aller Bewohner eingeht, internationale Zeitungen, aber vor allem Pfleger und Pflegerinnen, die mehrere Sprachen sprechen und für den Umgang mit Migranten ausgebildet sind. Neben den Senioren mit türkischen Wurzeln sei in den vergangenen Jahren auch die Zahl der russischstämmigen Heimbewohner gestiegen, erzählt Krause."

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 28. April 2015 (Nr. 97, 236. Jg.), S. 6.

Dienstag, 28. April 2015

Josh Cohen: West Must Compromise on Victory Day

"Certainly, Western leaders do face a dilemma. On the one hand, no one with even the slightest sense of history could fail to acknowledge the brutality endured by the people of the Soviet Union during World War II. On the other hand though, it is politically untenable for Western leaders to be seen as endorsing the way in which President Vladimir Putin frequently uses the historical memory of the fight against Nazism to justify Russia's proxy war in eastern Ukraine."

Quelle: http://www.themoscowtimes.com/opinion/opinion/article/west-must-compromise-on-victory-day/519766.html

Montag, 27. April 2015

Mark Lilla: Frankreich in Flammen. Nach den jüngsten Attentaten muslimischer Extremisten stellt sich die Frage: Was muss oder kann die Zivilgesellschaft tun?

"Es gibt Väter, die sich weigern, weiblichen Lehrkräften die Hand zu geben oder ihre Frauen allein mit männlichen Lehrkräften sprechen zu lassen. Es gibt Fälle von Kindern, die es ablehnen, zu singen, zu tanzen oder ein Instrument zu lernen. Manche weigern sich, in der Mathematik das Pluszeichen zu verwenden, weil es einem Kreuz ähnelt. Das Problem der Kleidung und der Vermischung der Geschlechter hat dazu geführt, dass an manchen Schulen der Turnunterricht ausfällt. Kinder lehnen es offen ab, Klassiker zu lesen, die ihrer Ansicht nach religiös nicht akzeptabel sind: Rousseau, Molière oder die ehebrecherische 'Madame Bovary'. Brstimmte Themen erweisen sich als Knacknuss im Unterricht: Dazu gehören die Evolution, Sex und die Shoah. Ein Vater wird zitiert, der zu einem Lehrer sagte: 'Ich verbiete Ihnen, meinem Sohn gegenüber den Namen Jesus zu erwähnen.'"

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/frankreich-in-flammen-1.18530186

Samstag, 25. April 2015

Tomasz Kurianowicz: Der Code der Liebe. Wie Goethe in seinen "Wahlverwandtschaften" die Grundlagen des Online-Datings erfand

"Dieses Prinzip will der Hauptmann testen. Er schlägt vor, weitere Personen ins Anwesen zu holen, um den Pool an Partnerkandidaten zu erweitern. Nur so lässt sich klären, ob Charlotte tatsächlich das beste Element für Eduards Liebeserwartungen ist. Wie im Reagenzglas soll sich entscheiden, wer sich anzieht und wer sich abstösst. Charlotte ahnt das Risiko des Experiments und warnt vor der Verbindung von Wissenschaft und Liebe: 'Diese Gleichnisreden sind artig und unterhaltend, und wer spielt nicht gern mit Ähnlichkeiten? Aber der Mensch ist doch um so manche Stufe über jene Elemente erhöht, und wenn er hier mit den schönen Worten Wahlverwandtschaft etwas fteigiebig gewesen, so tut er wohl, wieder in sich selbst zurückzukehren und den Wert solcher Ausdrücke bei diesem Anlass recht zu bedenken.'"

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/der-code-der-liebe-1.18529280

Claudia Aebersold Szalay: Deutsche Bank gebüsst. Lässt sich die Kultur der Gier ausrotten?

"'Who gets f*cked on that?', fragt sich ein Händler, nachdem seine Pendants bei anderen Banken gerade gemeinsam das Fixing des Euribor künstlich nach unten gedrückt haben. Die Antwort liefert er gleich selbst nach: 'Ich gehe davon aus, dass ihr gerade einen Kunden abgezockt habt.' Das Beweismaterial der Behörden, bestehend aus solchen E-Mails und Chats zwischen Händlern verschiedener Banken, wiegt schwer. Nicht nur belegt es, dass Mitarbeiter der Banken über Jahre hinweg die Zinssätze am Interbankenmarkt zu eigenen Gunsten verfälscht, sich untereinander abgesprochen, den eigenen Kunden geschadet und die Marktverhältnisse verzerrt haben, vielmehr zeigt es auch auf, dass sie sich ihres schädlichen Verhaltens durchaus bewusst waren. Dessen nicht genug: Sie prahlten auch damit gegenüber ihren eigenen Chefs. So schreibt ein Händler nach einer erfolgreichen Manipulation des Euribor direkt seinem Vorgesetzten, dem Leiter der Global-Finance-Einheit der Deutschen Bank, und fragt ihn, ob er das 3-Monate-Fixing schon gesehen habe. 'Das war eine exzellente konzertierte Aktion - cheers.'

Ja, prost. Kriminelle Energie, Gier und die Blindheit selbst hochrangiger Manager gegenüber Verfehlungen in den eigenen Rängen, wenn sie denn nur lukrativ sind, können nach den vielen Enthüllungen seit Ausbruch der Subprime-Krise eigentlich niemanden mehr überraschen. Betroffen macht die Aufarbeitung der Zeit vor und während der Finanzkrise aber noch allemal. Zwar versichert die Deutsche Bank, wie andere gebüsste Häuser vor ihr, sie habe die involvierten Personen bestraft oder entlassen und die internen Kontrollen erheblich verbessert. Doch reicht das aus, um eine Betriebskultur auszumerzen, in der jahrelang nicht genau hingeschaut wurde, wenn nur die Zahlen stimmten?

Es ist gut, dass die Ermittlungsbehörden heute den Banken endlich ihre Zähne zeigen. Noch viel wirkungsvoller wäre es aber, wenn dies die Bankenchefs im eigenen Betrieb täten."

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 25. April 2015 (Nr. 95, 236. Jg.), S. 10.

Nicole Anliker: Das Geschäft mit dem Exodus. Schlepperbanden in Libyen kontrollieren ganze Fluchtrouten und verdienen das grosse Geld damit

"Die 2000 Kilometer lange Mittelmeerküste Libyens hat für die Schlepper in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Seit der Diktator Muammar Ghadhafi 2011 gestürzt und getötet wurde, ist Libyen zum strategischen Basislager vieler Schlepper geworden. Das Land versinkt im Chaos, und die schlecht ausgerüstete Küstenwache funktioniert kaum mehr. Die Regierung in Tripolis will in der politisch instabilen Situation neue Konflikte um jeden Preis verhindern. Sie lässt die Schlepper gewähren."

Quelle: http://www.nzz.ch/international/europa/das-geschaeft-mit-dem-exodus-1.18528763

Oliver Pfohlmann: Werdet endlich erwachsen! Eine philosophisch-pädagogische Streitschrift von Susan Neiman

"Weder - noch, den Neimans (Susan Neiman: Warum erwachsen werden? Eine philosophische Ermutigung. Aus dem Englischen von Michael Bischoff. Hanser, Berlin 2015. 242 S.; SR) Modell des Erwachsenwerdens verlangt den schwierigen Balanceakt: zwischen naivem Idealismus einerseits und desillusioniertem Zynismus andererseits. Oder besser gesagt: Es will beide Extreme auf fruchtbare Weise verbinden - ähnlich, wie einst Kant in seiner Erkenntnistheorie Dogmatismus und Skeptizismus zusammenführte. Vor allem in der Auseinandersetzung mit Rousseaus 'Emile', Kants 'Kritik der reinen Vernunft', der Stoa und Hannah Arendt entwickelt Neiman ihr Modell, das sie als ein 'subversives Ideal' bezeichnet. Erwachsensein hiesse demnach: Gleichermassen ernüchtert wie 'nicht-resignativ' zu sein - eine engagierte Haltung, die die Grenzen der Realität zwar sieht, aber vor allem als Ansporn nimmt mitzuhelfen, das Sollen und das Sein zusammenzubringen: 'Erwachsenwerden verlangt, sich der Kluft zwischen beidem zu stellen, ohne eines davon aufzugeben.'"

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/werdet-endlich-erwachsen-1.18527725

Günter Figal: Ressentiments, Selbstgerechtigkeit, Ignoranz. Martin Heideggers "Schwarze Hefte" aus den Jahren 1942 bis 1948

"Der nationalsozialistische Zivilisationsbruch in Deutschland, suggeriert uns der Denker, sei nur ein letztlich unpassender Augenblick für den neuen Anfang des abendländischen Geschicks gewesen. Und Heideggers Sorge gilt einzig dem, dass ein neuer und besserer Augenblick zukünftig nicht verpasst werde. In dieser allein mit sich selbst und dem eigenen Denken beschäftigten Sorge versteigt Heidegger sich zu Sätzen, die man noch aus historischem Abstand mit einer aus Fassungslosigkeit und Abscheu gemischten Beklemmung liest. Die 'grösste Gefahr' sei es, dass 'das <grosse> Man' - gemeint sind wohl die Siegermächte und alle, die sich durch diese befreit wussten - 'uns gerade in unser Eigenstes nicht einkehren' lasse und die Deutschen, vor allem jedoch den Einen, den Denker, am neuen Anfangen hindere; das sei eine grössere Schuld als die durch 'alle öffentlich <anprangerbaren> Verbrechen', und sie könne 'im Wesen nicht einmal am Greuelhaften der <Gaskammern>' - man beachte diese Anführungszeichen - 'gemessen werden'."

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/ressentiments-selbstgerechtigkeit-ignoranz-1.18526970

Lennart Laberenz: Lachen bis zum bitteren Ende. Wo Nachrichtensendungen zunehmend Seichtes bieten, wird die Fernseh-Satire investigativer

"'Die Anstalt', Minute 45, ein prächtiger Witz: Wir haben den Krieg verloren, aber die Nachkriegszeit gewonnen. Bei der Boulevardisierung von Nachrichten und politischem Journalismus sprechen Spötter von einer Mariettaslomkaisierung. Die ZDF-Nachrichten-Moderatorin Marietta Slomka bereiste mit Betroffenheitsmiene und inszeniertem Recherchedrang Afrika, Ostdeutschland oder China. Der Eindruck drängte sich auf, dass es in ihren Beiträgen und Filmen vor allem um Marietta Slomka vor locker wechselnden Kulissen ging. Damit steht sie in einem interessanten Gegensatz etwa zu dem 1995 verstorbenen Hanns-Joachim Friedrichs, einer Ikone des deutschen Nachrichtenjournalismus. Friedrichs erklärte in einem 'Spiegel'-Interview einmal, dass er kurz nach dem Krieg bei der BBC in London gelernt habe, Distanz zu halten, 'sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein'. Die plötzlich grassierende Lockerheit, erwähnte er noch, sei ihm ein Graus gewesen. Man könnte also denken, dass Friedrichs das genaue Gegenteil von Marietta Slomka war. Im April 2015 gab die Jury des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises bekannt, nächstens Marietta Slomka den Preis umzuhängen."

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/fernsehen/lachen-bis-zum-bitteren-ende-1.18526963

Manfred Schneider: Der Geist wird zunehmend weiblich. Was von Lehr- und Sozialberufen her bekannt ist, ist auch an den Universitäten immer öfter Realität - je stärker Frauen ein Berufsfeld durchdringen, desto mehr weichen Männer auf alternative Bereiche aus. Es ist schwer, diese Veränderungen zu beschreiben, ohne Geschlechterklischees zu bemühen. Nichtsdestoweniger - ein Versuch.

"Aber es ist in den Geisteswissenschaften nichts mehr von den alten agonalen Leidenschaften und Affekten zu spüren. Kaum ein Professor oder eine Professorin glaubt noch daran, dass von der eigenen Tätigkeit ein Fünkchen auf das Heil der Welt überspringen könnte; allenfalls auf das Heil der Drittmittelquoten, wo die Entscheidung von 'bewilligt' und 'nicht bewilligt' die Unterscheidung von 'wahr' und 'falsch' abgelöst hat. Nur wenn man glaubt, dass der Geist als laues Lüftchen weht, dann tragen die Geisteswissenschaften ihren Namen zu Recht. Niemand erweckt dort den Eindruck, dass es um etwas geht. Ein Potpourri aus Pop, Gender, Medien und Theoriescharmützeln bestimmt gegenwärtig die Agenda in den Kulturwissenschaften, und wenn man in die philosophischen Seminare blickt, dann sitzen dort die einstigen Verwalter des Logos auf dem Schoss der Neurowissenschafter und hoffen, mit der Übersetzung philosophischer Begriffe wie Geist und Bewusstsein in Neuro-Speech an den prall gefüllten Geldtöpfen der Hirnforscher lecken zu dürfen. Man gewinnt den Eindruck, dass unsere Welt, die an vielen Ecken in Flammen steht und bedroht ist, den Geist der Geisteswissenschaften nicht berührt. Den Geisteswissenschaften ist nicht der Geist ausgetrieben, wie vor Jahrzehnten Friedrich Kittler meinte, sondern das Agonale, nämlich der Sinn dafür, dass auch in diesen Wissenschaften etwas auf dem Spiele steht."

Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/debatte/der-geist-wird-zunehmend-weiblich-1.18526250

Freitag, 24. April 2015

Steffen Roski: Erfahrungen mit der Hartz-Rebellin

Gerade ist dieses Buch von Inge Hannemann auf den Markt gekommen:

http://www.rowohlt.de/buch/Inge_Hannemann_Die_Hartz_IV_Diktatur.3167515.html

Mir war es vergönnt, in den Jahren 2013/14 mit anderen Aktivisten an der Seite von Inge Hannemann zu kämpfen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Enttäuschen konnte mich Inge Hannemann nie. Dazu bin ich schon zu lange politisch unterwegs, um die menschlichen Schwächen medienbekannter Linker nicht genau zu kennen. Getäuscht habe ich mich in Inge Hannemann wohl.

Begonnen hatte alles auf dem Vorplatz des Hamburger Landesarbeitsgerichts 2013. Zuvor wurden im Occupy-Camp Transpis hergestellt, um die Solidarität mit Inge zu bekunden. Damals noch formal als Arbeitsvermittlerin beim Altonaer Jobcenter angestellt, kämpfte sie arbeitsrechtlich um ihre Weiterbeschäftigung. Schon vor dem Landesarbeitsgericht herrschte gute Stimmung. Viele hundert Menschen waren da: Musiker, Aktivisten, Medienleute, Politiker. Der Gerichtssaal war rappelvoll. Es wurde etwas sichtbar: Hartz IV ist menschenunwürdig, Kritiker werden mundtot gemacht, es ist an der Zeit, den Widerstand zu bündeln.

Einige Zeit später traf ich gemeinsam mit einem Okkupisten Inge Hannemann zu einem ausführlichen Gespräch in St. Georg. Sie berichtete von konkreten Bedrohungen in Altona gegen ihre Person und wir sagten ihr unsere Unterstützung zu. Rufnummern wurden ausgetauscht. Inge, so die Vereinbarung, brauchte sich nur zu melden - und Unterstützer von Occupy Hamburg wären zur Stelle gewesen. Weiterer Bestandteil des Gesprächs: Inges Vorträge verliefen sich stets in Einzelfallbetrachtungen. Das System Hartz IV geriet in seinem Gesamtzusammenhang aus dem Blickfeld. Als BdWi-Fachreferent zum Thema Bertelsmann Stiftung bot ich ihr hier konkrete Expertise und Hilfe an. Entgegen ihrer Absichtsbekundung ist sie darauf nie zurückgekommen. Inzwischen ist mir auch der Grund klar geworden: Inge Hannemann war es von Anfang an um den Exklusivanspruch auf den Titel der Hartz-Rebellin gegangen. Es ging ihr um Eigenkarrierisierung, nicht um solidarisches Handeln.

Auch der weitere Prozess vor dem Landesarbeitsgericht war gut besucht. Wieder war Occupy Hamburg mit Transpis vertreten. Noch immer stand fest: Entweder wird Inge weiter ihrer Tätgkeit im Jobcenter nachgehen oder aber abgefunden ausscheiden und als politische Aktivistin weitermachen.

Erste Zweifel entstanden bei mir als Inge Hannemann mit Unterstützung der Bundestagsabgeordneten Katja Kipping eine Petition gegen SGB-II bundesweit lancierte und sich dabei die Bezeichnung Hartz-Rebellin urheberrechtlich schützen lassen wollte. Zudem war auch von ihrer unbedingten Forderung, die Tätigkeit im Jobcenter weiterführen zu wollen, keine Rede mehr. Dennoch beteiligte ich mich an der Aktion und sammelte vor Hamburger Jobcentern Unterschriften für die Eingabe. Medial wurde diese als Initiative der Partei DIE LINKE vermarktet. Inge Hannemann war auf der Pressekonferenz neben Katja Kipping zu sehen. Vermutlich fiel in diesem Zusammenhang die Entscheidung, Inge Hannemann zum außerparlamentarischen Hartz-IV-Flaggschiff der Hamburger Linkspartei zu installieren.

Der damalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Altonaer Linkspartei, Horst Schneider, hat sich sehr für Inge Hannemann stark gemacht. Schneider hat jahrelang seine politische Tätigkeit in den Dienst von Menschen gestellt, die die Kraft sich zu wehren, verloren hatten. Ganz konkret nutzte er das Fraktionsbüro zur Sozialberatung und hatte z.B. vielen Genossinnen und Genossen aus der Occupy-Bewegung Hilfestellung gegeben. Auch ich bin ihm für seine uneigennützige Unterstützung persönlich sehr verbunden. Ein Gespann Hannemann/Schneider hätte eine starke Flanke der Hartz-Kritik sowohl parlamentarisch als auch außerparlamentarisch ergeben können.

Meine letzte persönliche Begegnung mit Inge Hannemann fand Ende September vergangenen Jahres im Rahmen der Nationalen Armutskonferenz des Paritätischen statt. Inge Hannemann hatte zu dieser Zeit ihre Facebook-Aktivitäten eingestellt. Ihre dortigen Seiten wurden immer mehr zur Plattform von Postings aus dem Querfront-Lager. Somit war es nur allzu verständlich, dass das von ihr geleitete Panel im Rahmen der Konferenz sich mit der Unterwanderung der Armutsbewegung durch neurechte Verschwörungstheoretiker befasste.

Ob die Ausbootung Horst Schneiders mit der Zustimmung der gar auf Initiative Inge Hannemanns erfolgte, vermag ich nicht zu beurteilen. Am Ende war es Inge Hannemann allein, die einen Sitz in der Hamburger Bürgerschaft ergatterte. Schneiders sozialberaterische Tätigkeit wurde nicht gewürdigt. Wie auch, handelt es sich bei der Partei DIE LINKE in Hamburg um einen bürgerlichen Wahlverein, in dem man lieber über Gramsci räsonniert, als sich konkret um die Belange der Menschen zu kümmern.

Was bleibt festzuhalten? Inge Hannemann hat von Anfang an eine poltische Karriere systematisch geplant. Der hartzkritischen Bewegung vermag sie keinerlei Impuls mehr zu geben. Ihr jetziges berufliches Tätigkeitsfeld hat mit dem Jobcenter nichts mehr zu tun. Es gilt abzusahnen, den Windfallprofit mitzunehmen, das Hinterteil in der Bürgerschaft plattzusitzen. Hartz-Rebellin? Das war Inge Hannemann nie und wird Selbstvermarkterin bleiben.

Dienstag, 21. April 2015

Rainer Stadler: Ein Care-Team für Journalisten

"Undifferenzierte Kritik mag die Betroffenen verärgern. Die Journalisten haben täglich die Gelegenheit, mit gutem Beispiel voranzugehen und zu zeigen, wie man es besser macht als das 'digitale Proletariat'. Die Unterschiede zwischen 'denen da oben' und 'denen da unten' sind indessen keineswegs scharf. Im Zusammenhang mit Germanwings fand man auf alternativen Plattformen Schriftstücke, die deutlich reflektierter waren als solche aus dem professionellen Gewerbe. Warum werfen die Kritiker der Kritiker alle Widersprechenden in denselben Topf und beklagen sich selbstgerecht darüber, dass alle Journalisten in einen Topf geworfen werden? Der sekundenschnelle Dauerkampf um Fakten und Meinungen macht manchen mürbe."

Quelle:
http://medienblog.blog.nzz.ch/2015/04/21/bitte-ein-care-team-fuer-journalisten/

Daniel Wiener: Der Kapitalismus schleicht sich davon. Null- und Negativzinsen zerstören die Vorteile des Systems.

"Noch schlimmer ist ein zweiter Effekt: Solange Geld einen Preis hat, fällt es den Unternehmungen mit der besten Geschäftsidee zu, die auch die höchsten Raten zahlen können, bei vergleichbarem Kreditausfallrisiko. Wenn die Zinsen als Preissignal für Investoren entfallen, wird das Geld heimatlos. Es weiss nicht mehr, wohin es fliessen soll. Je tiefer das Zinsniveau liegt, umso einer werden allenfalls noch bestehende Unterschiede zwischen den Preisen. Beispielsweise senken die meisten Banken, trotz Negatvzinsen, die sie der Nationalbank schulden, ihre Libor-Hypotheken nicht unter ein bestimmtes Minimalniveau. Bald zahle alle Hypothekarschuldner, unabhängig von ihrer Tragfähigkeit, Bonität oder ihren spezifischen Risiken ihrer Liegenschaft, rund 0,75 Prozent Zins. Es ist, als ob dem Kapitalmarkt der Kompass abhanden gekommen wäre. Ohne Preissignal wird er zwangsläufig ineffizient oder inexistent. Mit der Amputatin der 'unsichtbaren Hand', wie Adam Smith vor bald 250 Jahren den pteisgesteuerten Mitteleinsatz treffend umschrieb, fällt der wichtigste Erfolgsfaktor des kapitalistischen Systems dahin. Nicht mit revolutionärem Getöse, wie noch Karl Marx erwartete, sondern auf leisen Sohlen schleicht der Kapitalismus von dannen."

Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/debatte/der-kapitalismus-schleicht-sich-davon-1.18526242

Torsten Landsberg: Wohnheim mit Concierge. In Berlin fehlt es an bezahlbarem Wohnraum für Studenten - private Investoren haben diesen Markt entdeckt

"Die Ausstattung der Wohnung ist allerdings weniger 'cum laude', als ihr Preis vermuten lässt. Die 212 Einheiten sind identisch gestaltet: schmucklos und in tristem Grau, PVC-Boden in Laminat-Optik. Nägel einzuschlagen, ist wegen der Leichtbauwände verboten. Die Staffelung der Preise hängt von der Lage des Apartments ab: Die erste Etage zur Strasse ist günstiger als die siebte im Hof mit Blick auf den Fernsehturm. Im Schnitt 500 Euro kosten 21 Quadratmeter im Monat eonschliesslich Heizkosten, 950 das Doppel-Apartment."

Quelle: http://www.nzz.ch/international/deutschland-und-oesterreich/wohnheim-mit-concierge-1.18526408

Bruno Lezzi: Die Ukraine als Test für die US Army. Das neue Konzept des amerikanischen Heeres ist auf ein weites Spektrum von Konflikten ausgerichtet

"Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie der Rand Corporation über die französische Kampfführung in Mali anregt, sollte sich die Army vermehrt mit den dort gewonnenen Erfahrungen in taktischer und materieller Hinsicht auseinandersetzen. Gerade der selbständige Einsatz kleiner Formationen, wie dies auch dem amerikanischen Heeresstabschef (General Raymond Odierno) vorschwebe, verdiene ernsthaft in die Entwicklungsarbeiten einbezogen zu werden. Näher zu betrachten seien auch die Radpanzer und Radschützenpanzer des französischen Heeres, die logistische Vorteile böten und zum Teil wie etwa das Kampffahrzeug AMX-10RC mit seiner 10,5-cm-Kanone über eine grössere Feuerkraft als der Schützenpanzer Stryker verfügten."

Quelle: http://www.nzz.ch/international/amerika/die-ukraine-als-test-fuer-die-us-army-1.18525612

Montag, 20. April 2015

Peter Rásonyi: Wachsende Wohnungsnot im boomenden London. Steigende Hauspreise, Sozialkürzungen und der Ausverkauf von Sozialwohnungen setzen Junge und sozial Schwache unter Druck

"Doch von der neuen Zeit werden auch dessen Einwohner überrollt. Die Zahl der Obdachlosen ist seit 2010 um zwei Drittel gestiegen. Seit Inkrafttreten der von der konservativ-liberalen Regierung verfügten Sozialkürzungen hat gemäss dem Ausschuss eine beschleunigte Verdrängung von Bedürftigen in die äusseren Bezirke und ganz aus der Stadt hinaus eingesetzt. Viele Einwohner von Sweets Way und West Hendon Estate leben heute in provisorischen Notunterkünften. Sie müsse jetzt dreimal umsteigen und eineinhalb Stunden im Bus bis zur Schule fahren, erzählt die 13-jährige Anida, die ihre Primarschulzeit in Sweets Way verbracht hatte. Die Notunterkunft sei feucht und eng. Jedes Mal, wenn ein Zug vor dem Fenster vorbeifahre, wackle das Bett. Für das Erledigen der Hausaufgaben fehle das Internet. Die Schulleistungen hätten nachgelassen."

Quelle: http://www.nzz.ch/international/europa/wachsende-wohnungsnot-in-london-1.18524700

Samstag, 18. April 2015

Peter Trawny: Die letzte Hand des Zauberers. Martin Heidegger und seine Gesamtausgabe.

"Wer einmal 'Heideggerianer' war, weiss, wie schwierig es ist, sich davon zu lösen. Ein unauflösbarer Widerspruch wird konsequent mit Verstossung bezahlt. Als ich im Herbst 1997 den Satz 'Zu fragen wäre, worin die eigentümliche Vorbestimmung der Judenschaft für das planetarische Verbrechertum' begründet sei, in Heideggers Manuskript fand und in die Satzvorlage übertrug, war die Reaktion von Heideggers ehemaligen Privatassistenten unmissverständlich. Das durfte nicht veröffentlicht werden. Und da der Satz in der von Fritz Heidegger angefertigten Abschrift des Manuskripts fehlte, gab es ein Argument. Vorausgesetzt, Heidegger hatte mit seinem Bruder die Abschrift durchgesehen, war sie der Text, der letzter Hand publiziert werden musste. Nun wurde deutlich: Der Dienst an der Gesamtausgabe enthielt den Auftrag, Schaden von Heideggers Denken auch dann abzuwehren, wenn dieser Schaden diesem Denken selbst entsprang."

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/die-letzte-hand-des-zauberers-1.18524364

Freitag, 17. April 2015

Gottfried Schatz: Echte Bildung anstatt nur Wissensvermittlung. Die wahren Aufgaben der Universitäten.

"Wissenschaft beschäftigt sich nicht vorrangig mit Wissen, sondern mit Unwissen. Sie verwandelt dieses Unwissen in Wissen, wobei ihr der Akt der Umwandlung meist wichtiger ist als das Ergebnis. Leidenschaftliche Forscherinnen und Forscher betrachten das von ihnen geschaffene Wissen fast als ein Nebenprodukt, dessen Verwaltung und Weitergabe sie gerne anderen überlassen. Ein Lehrbuch der Biochemie wäre für sie nicht 'Biochemie', sondern die Geschichte der Biochemie - eine Zusammenfassung dessen, was sie bereits wissen oder zumindest wissen sollten. Ihre Heimat ist nicht das gesicherte Wissen, sondern dessen äusserste Grenze, wo Wissen dem Unwissen weicht."

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/echte-bildung-anstatt-nur-wissensvermittlung-1.18523733

Heidi Gmür: Klappe auf für ein australisches Drama

"Es geht der Regierung nicht etwa darum, die Bevölkerung für das Schicksal von echten oder unechten Flüchtlingen zu sensibilisieren. Nein, das Drama soll in den Herkunftsländern potenzieller Flüchtlinge wie Syrien ausgestrahlt werden, um diese von einer Reise der Hoffnung nach Australien abzuhalten. Damit der Film Wirkung entfalten kann, müsste die Lage in Australien freilich so dargestellt werden, dass das Publikum vor Schreck lieber zu Hause bleibt und wartet, bis Australien sie allenfalls für eine humanitäre Aufnahme auserwählt. Keine einfache Aufgabe. Doch Australien hat Vorarbeit geleistet, die Produzenten können aus dem Vollen schöpfen."

Quelle: http://www.nzz.ch/international/aufgefallen/klappe-auf-fuer-ein-australisches-drama-1.18523232

Donnerstag, 16. April 2015

Stephan Wehowsky: Kritik und Gewalt. Russland und der Islam werfen dem Westen Dekadenz vor. Was ist da dran?

"Der Bremer Soziologe Gunnar Heinsohn hat schon früh auf die Brisanz der Demografie aufmerksam gemacht. Demnach besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Geburtenraten und Krieg. Immer dann, wenn es Geburtenüberschüsse gibt, so seine These, werden Kriege geführt. Das liegt daran, dass die Überzahl junger Männer eine machtvolle Ressource ist. Hinzu kommt, dass in aller Regel die Bevölkerung schneller wächst als die Wirtschaft. Eine grosse Zahl von jungen Männern hat also keine Chance, eine Position zu finden, die ihnen angemessen erscheint. Das war schon im Mittelalter und in der frühen Neuzeit so, und heute beobachten wir das in den Gesellschaften des Nahen Ostens, Afrikas und zum Teil auch in Asien. Durch die vorgeburtliche geschlechtliche Selektion in manchen Ländern kommt noch das Problem hinzu, dass Männer ohne Frauen bleiben. Gewalt bietet nun die Chance, sich zu beweisen, wenigstens zeitweise Prestige zu erringen und Frustration abzureagieren."

Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/debatte/vernunft-und-selbstbehauptung-1.18522868

Mittwoch, 15. April 2015

Peter Glaser: Die neue Weltordnung

"Mit dem Buchdruck waren zahlreiche alte Manuskript vervielfältigt worden und hatten die Renaissance mit der Vergangenheit des Altertums und des Mittelalters überflutet. In dieser Zeit wurde auch die Zukunft erfunden. Mithilfe von Büchern begann der menschliche Geist zum ersten Mal, sich frei in Vergangenheit und Zukunft zu bewegen. Heute lässt die Vernetzung uns eintauchen in alle Kulturen, die je auf dieser Wet existierten. Für manchen fühlt sich der kreative Anspruch der neuen Medien jedoch erdrückend an. Was zuvor Zeitungen, Fernsehen und Bibliotheken vorgeordnet, registriert und zusammengefügt hatten, wird nun durch die Dugitalisierung entbündelt. Musikalben zerfallen wieder in einzelne Stücke. Zeitungen zerflattern zu Artikel-Atomen im Stream der sozialen Netze. Das Internet stattet die Dinge mit einer neuen Gewichtslosigkeit und Mobilität aus. Alles lässt sich nun mit einem Klick um die Welt schicken, verändern, miteinander verbinden ubd teilen. Das Inbild der digitalen Welt sind nicht mehr die Reihen ruhender Bücher in einer Bibliothek, sondern die riesigen, wendigen Fischschwärme im Ozean."

Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/kolumnen/die-neue-weltordnung-1.18522236

Franziska Bulban: Mehr Asylanträge im vergangenen Jahr

"Insgesamt wurden 128 911 Anträge 2014 bearbeitet. Davon bekamen 40 563 Personen Schutz zugesprochen, was einer Schutzquote von 31,5 Prozent entspricht. Auch diese Quote ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Für 2015 rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit rund 250 000 Personen, die neu nach Deutschland kommen. Trotz der wachsenden Zahlen ist der Anteil an Flüchtlingen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland gering. Ein Beispiel: Viele klassische Verkehrsflugzeuge haben ungefähr 400 Sitzplätze. Angenommen, Deutschland wäre ein solches Flugzeug und die Passagiere wären die Einwohner, dann würde etwa zwei Pläze im ganzen Flugzeug von den Menschen beansprucht, die 2014 Asylanträge gestellt haben. Länger bleiben dürfen im Jahr 2014 davon so wenige, dass sie gerade einmal einen Fünftel-Platz brauchen würden - also. Um in der Analogie zu bleiben, etwa so viel Platz wie ein Kleinkind."

Quelle: http://www.nzz.ch/international/mehr-asylantraege-im-vergangenen-jahr-1.18521450

Dienstag, 14. April 2015

[anti-b]: Bertelsmann NS Verbrechen ( Tomas Hartmann)

Hallo, 

anbei ein Buch mit einer Bücherliste im Anhang von bis dato noch unbekannten NS Verbrechen von Bertelsmann, im übrigen wird auch bewiesen, dass die NS Führung mit Bertelsmann Bielefeld eng vernetzt war, dem heutigen Partner der Bundesregierung, die NS Verbrechen durch Bertelsmann Autoren sind der Öffentlichkeit noch nicht bekannt.

Nach dem ich das Buch letzes Jahr zum Teil veröff. ware relativ oft der Rechner der Bundeswehr, LKA und diverse Staatskanzlein auf meiner Seite.

Das Buch wird jetzt bei Google Books gratis angeboten.  
Es wird um Verbreitung gebeten. Das Werk als E-Book ist frei.

T.A. Hartmann

Hier der Link: https://books.google.de/books?id=Ge0wBwAAQBAJ&pg=PA65&dq=thomas+hartmann+buch+bertelsmann&hl=de&sa=X&ei=W_EsVbfDOoHWOIeRgZgL&ved=0CDQQ6AEwAA#v=onepage&q&f=false

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

Montag, 13. April 2015

Hans Ulrich Gumbrecht: Durchatmen im Stadion

"Immer hoffe ich auf das Gelingen einer dynamischen Form, deren Substanz aus den Bewegungen meiner Mannschaft besteht, begleitet von den ständig einsetzenden Bewegungen meines eigenen Körpers am Rand der Aufmerksamkeit. Jeder gelingende Spielzug ist ein Ereignis, weil er sich gegen den Widerstand der anderen Mannschaft verwirklicht hat, was auch bedeutet, dass sein Gelingen nie gewiss sein konnte und in jedem Fall zu einer spezifischen, der anderen Mannschaft abgerungenen Form wird. Als unwiederholbares Ereignis und singuläre Form aber beginnt der gelingende Spielzug vom ersten Moment seines Aufscheinens an zu verlöschen. So hat er eine Aura von Melancholie, die keine seiner vielfachen Medien-Wiederholungen aufwiegen kann."

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/durchatmen-im-stadion-1.18519608

Jürg Kürsener: Amerikas Antwort auf Chinas Salamitaktik. Mit dem Kampf um Interessensphären in Ostasien wächst die Bedeutung der pazifischen Streitkeäfte der Vereinigten Staaten

"Unbeeindruckt davon baut China seine Präsenz auf den Spratly-Inseln mit künstlichen Aufschüttungen aus, beispielsweise bei den Gaven Reefs und beim Johnson South Reef. Ferner soll es auf dem Fiery Cross Reef seit November 2014 eine künstliche Insel aufschütten, auf der nebst Hafenanlagen vermutlich auch ein Flugplatz mit einer 3000 Meter langen Piste gebaut wird. Damit könnte China seinen Aktionsradius viel weiter nach Süden hin ausbauen."

Quelle: http://www.nzz.ch/international/amerika/amerikas-antwort-auf-chinas-salamitaktik-1.18519134

Donnerstag, 9. April 2015

Stefan Betschon: Psychologie und Big Data

"Der amerikanische Psychologe James Pennebaker hat bereits in den 1990er Jahren angefangen, in geschriebenen Texten Hinweise zu suchen, die etwas über die Gefühlslage des Autors aussagen. Er hat zum Beispiel herausgefunden, dass Leute, die mit sich selber Mühe haben, häufiger 'Ich' sagen. Durch die häufige Verwendung dieses Pronomens unterscheiden sich etwa Lyriker, die sich umgebracht haben, von anderen, die eines natürlichen Todes gestorben sind. Es sind interessanterweise Funktionswörter, die den Unterschied machen, Wörter, die in einem Satz keine lexikalische Bedeutung besitzen, die rein grammatische Funktionen übernehmen. Im Englischen sind das laut Pennebaker rund 500 Wörter, ein Prozent des Wortschatzes. Der Psychologe hat Computer-Software entwickelt, die durch die Analyse dieser Wörter den emotionalen Gehalt einer schriftlichen Äusserung erfassen kann."

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 9. April 2015 (Nr. 81, 236. Jg.), S. 38.

Neue Zürcher Zeitung (S. B.): Schädliche Werbung. Google greift durch

"Werbung auf dem Smartphone ist nervig. Aber nicht nur das: Sie kostet Geld, weil sie Bandbreite, Speicherplatz, Rechenleistung und Batteriekapazität konsumiert. William Halfond hat es unternommen, diese nachteiligen Auswirkungen von Werbung zu quantifizieren. Dafür hat sich der amerikanische Computerwissenschafter von der University of Southern California mit Kollegen vom Rochester Institute of Technology und von der kanadischen Queen's University zusammengetan. In ihrer Studie konnten die Forscher zeigen, dass Werbung den Energiebedarf von Apps um durchschnittlich 16 Prozent erhöht. Bei der Rechenleistung verursacht Werbung eine Erhöhung des Bedarfs um durchschnittlich 48 Prozent, bei der CPU-Auslastung um 56 Prozent, beim Speicherplatz um 22 Prozent. Werbung erhöht den Datenverkehr um durchschnittlich 79 Prozent; jede Einblendung einer Anzeige kostet den Rezipienten ein paar Cents."

Quelle: http://www.nzz.ch/mehr/digital/google-gegen-ad-injectors-1.18517983

Peter Nowak: Unfrieden in der Friedensbewegung. Am Wochenende fanden in Deutschland unter dem Motto "Die Waffen nieder" die traditionellen Ostermärsche statt.

"Vor allem aber erwähnt Krüger (Uwe Krüger in einem Beitrag für das " Neue Deutschland"; SR) nicht, dass die Friedensbewegung durch ihr Bündnis mit den nach rechts offenen 'Mahnwachen für den Frieden' unter dem Dach des 'Friedenswinters' viel Anlass zur kritischen Berichterstattung gegeben hat. Mittlerweile hat zumindest die wichtigste antimilitaristische Organisation 'Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner' (DFG-VK) dieses Bündnis aufgekündigt. Der unmittelbare Anlass war ein verbaler Ausfall des 'Mahnwachen'-Aktivisten Ken Jebsen gegen den politischen Geschäftsführer der DFG-VK Monty Schädel. Auf einer Kundgebung bezeichnete der ehemalige Radiomoderator Schädel als 'Feind', darüber hinaus behauptete Jebsen, Schädel sei 'gekauft von der Nato'. Der Gescholtene hatte in Interviews eine kritische Bilanz des 'Friedenswinters' gezogen und war zu dem Fazit gelangt, dass dieses Bündnis die Friedensbewegung nicht etwa voranbringe, sondern kaputt mache."

Quelle: Jungle World, 9. April 2015 (Nr. 15, 19. Jg.), S. 7.

Samstag, 4. April 2015

Andreas Kilcher: Okkultistischer Weltentwurf. William Butler Yeats' Schrift "Eine Vision" liegt erstmals in deutscher Übersetzung vor

"So kann es nicht überraschen, dass die Übersetzung dem anspruchsvollen Text (William Butler Yeats: Eine Vision. Aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Axel Mobte. Kröner-Verlag, Stuttgart 2014. 336 S.; SR) nicht immer gewachsen ist. Denn was Yeats unter dem Titel 'Eine Vision' vorlegte, ist nicht nur schöne Literatur, sondern im Wesentlichen ein umfassendes esoterisches System, in dessen Zentrum ein 'Hauptsymbol' steht, das sogenannte 'grosse Rad', das in '28 Mondphasen' einen ganzen Weltentwurf visualusiert. Dessen Darstellung und Ausdeutung bildet den eigentlichen Anspruch dieses niveavollen und letztlich sehr persönlichen Werks. An den Illustrator des Buches, Edmund Dulac, schrieb Yeats im April 1924: 'I do not know what my book will be to others - nothing perhaps. To me it means a last act of defence against the chaos of the world.'"

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/okkultistischer-weltentwurf-1.18515530

Uwe Justus Wenzel: Eine Ausgabe letzter Hände. Die Diskussion um die angemessene Edition von Martin Heideggers Schriften nimmt wieder Fahrt auf

"Wer gelassen bleiben will, wird fragen: Warum heute noch so viel Aufhebens um den Nachlass, wo doch bereits die Quellen zu gut neunzig Bänden eingesehen werden können? Selbstredend geht es um unter der - letzten oder vorletzten - Hand vorgenommenen Textänderungen, zumal um solche, die Rückschlüsse auf Gesinnungen, Ressentiments oder sonstige Geisteszustände zulassen. Darum dreht sich die 'Heidegger-Debatte' seit gut sechs Jahrzehnten immer wieder. Peter Trwany, der Editor auch der 'Schearzen Hefte', hat bereits vor einem Jahr auf einen Satz hingewiesen, der in dem von ihm 1998 herausgegebenen Band 69 der Gesamtausgabe fehle, aber im ursprünglichen Manuskript (aus der Zeit von 1938/40) stehe. 'Zu Fragen wäre', schreibe Heidegger dort, 'worin die eigentliche Vorbestimmung der Judenschaft für das planetarische Verbrechertum begründet' sei. Ist da von den Juden als Opfern von 'planetarischen' Verbrechern die Rede - oder werden sie selbst des Verbrechertums bezichtigt? Nach dem Bekanntwerden der einschlägigen Passagen aus den 'Heften' ist die zweite Lesart die naheliegende."

Quelle: http://www.nzz.ch/feuilleton/eine-ausgabe-letzter-haende-1.18515827

Jeroen van Rooijen: Facebook macht bald auch Mode

"Mehr als 2800 Personen werden auf dem neuen Facebook-Campus (1 Bayfront Expressway, Menlo Park, Kalifornien; SR) arbeiten. Was tun sie? Der Social-Network-Konzern tut gerne so, als würden die vielen Mitarbeiter den ganzen Tag im Internet surfen und Spass haben. So wie wir alle, die mit Facebook Unmengen von Lebenszeit verplempern. Tatsächlich wird beim mächtigsten Medium unserer Zeit aber an der Beherrschung der Welt gefeilt. Ganz gewiss sitzt in Menlo Park auch eine Moderedaktion, die sich ausdenkt, was wir 2018 tragen. Facebook hat die Macht und die Mittel dazu, weltumspannend in den Stildiskurs einzugreifen. Konventionelle (Print-)Titel wirken daneben fast antiquarisch."

Quelle: http://www.nzz.ch/lebensart/stil/facebook-macht-morgen-auch-mode-1.18515087

Torsten Landsberg: Der Pressekodex rückt in den Hintergrund. Für ihre Berichte über die Germanwings-Katastrophe greifen einige Medien zu fragwürdigen Recherche-Mitteln

"Wenn Psychologen relevante Hintergrundinformationen zu den Anzeichen für Suizidalität gäben, könne das dazu beitragen, dass die Debatte sachlich geführt werde, sagt Andrea Abele-Brehm, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychplogie. Es sei wichtig, dass es sich dabei um allgemeines Wissen handele. 'Wenn sich Personen jedoch hinreissen lassen, über den konkreten Einzelfall zu spekulieren, halte ich das für problematisch.' Isabella Heuser, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité, zählt hingegen zu jenen, die mit dem konkreten Einzelfall keine Berührungsängste haben. 'Wir können spekulieren', sagte sie zwei Tage nach dem Absturz dem Nachrichtensender N24 - und stellte fest, der Co-Pilot sei 'gekränkt worden, hat sich elendig, klein, vielleicht maximal beschämt gefühlt'. Solche Ferndiagnosen lassen Redaktionen ihr eigenes Vorgehen legitimieren. Das sei ein wesentlicher Grund, warum Medien sogenannte Experten bemühen, sagt Bolz (Norbert Bolz, Medienwissenschaftler an der TU Berlin; SR). 'Redaktionen suchen gezielt nach Leuten, deren Einschätzung als Blankoformular für die Berichterstattung in eine bestimmte Richtung dient.'"

Quelle: http://www.nzz.ch/international/europa/der-pressekodex-rueckt-in-den-hintergrund-1.18515076

Niklaus Peter: Verwandlung und Erneuerung. Religionen schärfen den Blick für die Vetkehrtheit des Menschen - sie helfen aber auch, Heilung und Transformation anzustreben. Dabei sollten sie ihre eigenen Ambivalenzen nicht übersehen.

"Das leitende Interesse des Philosophen James (William James: Die Vielfalt religiöser Erfahrung; SR) bei seiner Reise in wunderbare und auch wunderliche Regionen des Geistes war die Beantwortung der Frage: Gibt es auch etwas Durchgängiges und Verbindendes? Gibt es einen gleichbleibenden Kern religiöser Erfahrung in dieser verwirrenden Vielfalt? Die positive Antwort im Schlusskapitel lautet: Zwei Erfahrungen seien es, die innerlich zusammenhingen. Erstens finde man fast überall ein in religiösen Traditionen gespeichertes Gefühl von uneasiness, ein Unbehagen im Hinblick auf uns selbst, die tiefe Ahnung, dass etwas mit uns nicht stimme. Zweitens aber die Erfahrung: Wenn man mit höheren Mächten in Verbindung trete, könne man von der Verkehrtheit (wrongness) befreit und geheilt werden."

Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/debatte/verwandlung-und-erneuerung-1.18515944

Donnerstag, 2. April 2015

Neue Zürcher Zeitung (cei.): Halbzeit bei Bertelsmann. Firmenchef Rabe setzt auf Bildung und Schwellenländer

"Es ist ein langwieriger Umbau, den Firmenchef Thomas Rabe Europas grösstem Medienkonzern, Bertelsmann, verordnet hat. Noch vor gut einem Jahrzehnt hatte die Firma in Tiefdruckkapazitäten und in Buchklubs investiert - solche Geschäfte werden derzeit abgewickelt oder abgestossen, was den sinkenden Reingewinn zu einem guten Teil erklärt. Rabe leitet den Konzern seit 2012. Man sei jetzt in der Halbzeit der Transformation angekommen, sagte er an der Bilanzpressekonfetenz in Berlin. Noch ist die Dynamik des Gesamtkonzerns aber verhalten. Der Umsatz ohne Zukäufe ist gegenüber der Vorjahr leicht tiefer.

Rabe will den Konzern internationaler aufstellen. 93% des Umsatzes werden derzeit in Europa und den USA erzielt. Gleichzeitig soll Bertelsmann stärker wachsen. Geschäfte, die jährlich mindestens 5% zulegen, machen derzeit 27% am Umsatz aus. Diesen Anteil will Rabe in wenigen Jahren auf 40% bringen. Auf Grossübernahmen sei man nicht erpicht. Die Familie Mohn, die direkt und über ihre Stiftung 100% der Firma kontrolliert, mag keine Abenteuer.

Rabe will den Umsatz in zwei bis vier Jahren um ein Fünftel auf 20 Mrd. € steigern. Zu diesem Wachstum sollen das Geschäft in den Schwellenländern sowie das noch kleinere Standbein Bildung, etwa mit E-Learning, je 1 Mrd. € beitragen. Ein Beispiel, wie Ersteres gelingen soll, wurde am Montag geliefert: Demnach wird die Internetplattform Alibaba den chinesischen Online-Markt für Künstler von BMG, der Musikrechte-Sparte von Bertelsmann, erschliessen. Das Geschäft mit BMG ist (noch) klein, aber fein. Stabile Erträge liefert weiterhin das Fernsehgeschäft der RTL-Gruppe. Auch dort macht man aber Schritte zum Online-Geschäft. So wurde 2014 die Firma SpotXchange gekauft, über die täglich 3 Mrd. Reklamen für Online-Videos auktioniert werden.

Zu Bertelsmann gehören 250 Buchverlage, die unter dem Dach von Penguin Random House zusammengefasst sind. Jeden Tag verkauft die Firma 2 Mio. Bücher. Sie ist nach dem Zusammengehen von Random House und Penguin Marktführer in den USA, Grossbritannien und Deutschland. Der Marktanteil von E-Books beträgt mittlerweile 20%. Dabei sind die Unterschiede zwischen den Ländern gross: In den USA sind es 30%, in Deutschland erst 15%. Und er differiert auch nach Genre. In den USA etwa liegt die Quote von E-Books für Belletristik bei 50%, bei Kinder- und Kochbüchern aber unter 10%. Bemetkenswert ist, dass in den USA bei E-Books eine Wachstumsabflachung stattfindet. Das gedruckte Buch ist also kein Auslaufmodell."

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 2. April 2015 (Nr. 77, 236. Jg.), S. 13.

Toby Matthiesen: Die gefährlichen Interventionisten vom Golf. Die Militärintervention in Jemen verschärft die regionalen Spannungen zwischen Saudiarabien und Iran. Es geht weniger um echte politische Lösungen für Jemen als darum, die Vormachtstellung der Golfstaaten und des mit ihnen verbündeten ägyptischen Präsidenten Sisi in der Region zu demonstrieren.

"Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) beteiligten sich mit Kampfflugzeugen und Spezialeinheiten an der Nato-Intervention in Libyen und waren auch symbolisch wichtig, um die Intervention weniger neokolonialistisch aussehen zu lassen. Im März 2011 rollten saudische Panzer (zusammen mit Einheiten aus den VAE, Kuwait und Katar) über die Brücke, die die saudische Ostprovinz mit dem Inselstaat Bahrain verbindet, und schlugen dort eine weitgehend friedliche Demokratiebewegung nieder. 2014 führten die Golfstaaten (ohne Kuwait und Oman) dann Luftangriffe in Syrien und im Irak durch, um die Rebellen des Islamischen Staates zu schwächen. Im selben Jahr flogen die VAE zusammen mit Agypten auch Luftangriffe in Libyen. Libyen ist ein Paradebeispiel dafür, welche Konsequenzen solche Interventionen haben können und wie persönliche Rivalitäten zwischen Herrscherfamilien am Golf die Aussenpolitiken einzelner Golfstaaten beeinflussen. Denn in Libyen hat Katar Libya Dawn, einem Rebellenverband, der auch Islamisten umfasst und die Hauptstadt Tripolis kontrolliert, den Rücken gestärkt, während die VAE sich hinter General Haftar, einen säkularen alten Militär und Weggefährten von Ghadhafi, gestellt haben. Die Luftangriffe der VAE und Ägypten zielten denn auch auf Libya Dawn, mit dem Ziel, Haftar zu stärken. Die Angriffe haben das Land aber noch stärker polarisiert und den Bürgerkrieg angeheizt. Der Zerfall des Staates und die Omnipräsenz von Milizen erschweren eine politische Lösung in Libyen."

Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/debatte/die-gefaehrlichen-interventionisten-vom-golf-1.18514108

David Signer: Der Islamismus und die Frauen. Die Frage der Sexualität ist für Jihadisten offensichtlich zentral. Aber je mehr sie alles Weibliche verbannen, desto obsessiver sucht es sie heim.

"Vor allem die Schwiegermütter wachen eifersüchtig darüber, dass die junge Frau nicht 'Schande' über die Familie bringt und möglichst bald Kinder in die Welt setzt. Eigentlich wächst der Knabe in einem matriarchalen Haushalt auf, und er entkommt ihm bis an sein Lebensende kaum, mag er sich aussethalb des Hauses noch so sehr als als Chef aufspielen. Unnötig zu sagen, dass die Frauen von diesem System allerdings auch wenig haben. Insbesondere sind Zärtlichkeit, Liebe und Leidenschaft zwischen Ehepartnern unter solchen Bedingungen fast unmöglich. Ein Araber, der seine Frau allzu offensichtlich und mehr als seine Mutter liebt, macht sich lächerlich. Er ist 'unter die Räder gekommen'. Verwestlichung und Modernisierung bedeuten für viele dieser Männer, die gefährlichen Frauen freizulassen und so sich ihnen erst recht auszuliefern. Deshalb kommen ihnen Europäer manchmal wie Eunuchen vor. Ohne all diese sexuellen Aspekte ist Jihadismus nicht verständlich."

Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/der-islamismus-und-die-frauen-1.18514067

Mittwoch, 1. April 2015

Oliver Pfohlmann: "Der eine sucht dies, der andere das". Anton Tantner über Fragstuben, Intelligenz-Comptoirs und Berichthäuser - die Vorläufer der Suchmaschinen

"Nach Tantner (Anton Tantner: Die ersten Suchmaschinen. Adressbüros, Fragämter, Intelligenz-Comptoirs. Klaus Wagenbach, Berlin 2015. 174 S.; SR) begann alles mit Montaigne, der in seinen 'Essais' schrieb: 'Der eine sucht dies, der andere das, jeder nach seinem Bedarf', warum also nicht, 'in den Städten eine bestimmte Stelle' einrichten, die alle Angebote, Wünsche und Suchanfragen registriert, um den 'Austausch von Informationen' zu erleichtern? Viele nachfolgende Visionäre beriefen sich auf Montaigne und verbanden mit der Idee mitunter handfeste sozialreformerische Absichten, die den heutigen Gesellschaftsutopien von Google kaum nachstehen. So träumte der englische Gelehrte Samuel Hartlib in den 1640er Jahren von einem 'Office', das alles verfügbare Wissen sammeln und zur Verfügung stellen würde, um so eine Reform des Königreichs zu ermöglichen und eine 'wohlgeordnete Gesellschaft' entstehen zu lassen. Auf den praktischen Nutzen rekurrierte kein Geringerer als Gottfried Wilhelm Leibniz, der 1712/13 die Einrichtung eines 'Notiz-Amtes' vorschlug, in dem nicht nur 'leute, die einander von nöthen haben, von einander kundschafft bekommen können', sondern darin 'bekommt (einer) auch offt gelegenheit etwas zu suchen und zu verlangen, darauff er sonst nicht gedacht hätte.'"

Quelle: Neue Zürcher Zeitung, 1. April 2015 (Nr. 76, 236. Jg.), S. 24.

Milosz Matuschek: Verlieben Sie sich bitte - jetzt!

"In bestimmten Situationen einfach einmal nichts zu tun, uns gänzlich passiv zu verhalten, widerstrebt uns. Wer nichts tut, verliert scheinbar die Kontrolle über das Geschehen. 'Wir können ja nicht einfach herumstehen und gar nichts tun!' ist der Verzweiflungsschrei des Aktionisten. Zu glauben, dass es stets besser ist, etwas zu tun, als nichts zu tun, ist ein tief in uns verwurzeltes Denkmuster. Evolutionsbedingt sind uns eben die Alternativen Kampf oder Flucht eher in Fleisch und Blut übergegangen als die Strategie 'abwarten und Tee trinken', mit der vielleicht am ehesten noch die Engländer begabt sind. Als 1941 die Nachricht die Runde machte, Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess sei in Schottland gelandet, wollte sich Churchill deshalb lieber nicht von einer Folmvorführung abhalten lassen: 'Hess oder kein Hess - ich möchte jetzt die Marx-Brothers sehen.'"

Quelle: http://www.nzz.ch/meinung/kolumnen/verlieben-sie-sich-bitte--jetzt-1.18514068