Samstag, 24. August 2013

Holdger Platta: Auf dem Weg in einen ‚kalten Faschismus’? - Erinnern zwischen Abwehr und Alarmismus. Oder: Schwierigkeiten bei der vergangenheitsbezogenen Analyse der Gegenwart (erweiterter Auszug aus dem Buch: Rudolph Bauer/Holger Platta (Hgg.): Kaltes Land. Gegen die Verrohung der Bundesrepublik. Für eine humane Demokratie. Hamburg 2012)

 Exkurs: ‚Coolness’ als neues Entmenschlichungs-Merkmal Es fällt auf, daß alles, was ich im Folgenden zu zitieren habe, zumeist völlig emotionsfrei vorgetragen wird. Wir haben es, sozusagen, mit einer Entmenschlichung in der Gestalt der guten Manieren zu tun, wir hören kein Hitlergeschrei und kein Goebbels-Gebrüll, sondern eine eiskalte, eine „coolen“ Inhumanität, einen Inhumanität der neuen ‚Sachlichkeit’ oder Gefühllosigkeit. Diese neuen Menschenfeinde hassen nicht, sie meinen nur. Man sieht sich erinnert an Herbert Marcuses Thesen zur „Psychologie der Neutralität“ – einer Neo-Variante der faschistischen Psychologie – sowie an die Aussagen von Adorno und Michaela von Freyhold zum „potentiell gefährlichsten“ Typus des „Autoritären Charakters“, an den „manipulativen Typus“. Es ist der Typus des Technokraten, des Technokraten ohne Fähigkeit zur Objektbeziehung, des Vertreters eines „administrativen Sadismus“. Diese Menschen, so Adorno, „interessiert die Konstruktion von Gaskammern, nicht das Pogrom“, ihr Sadismus ist von „analem Charakter“, dessen Hauptzug das Nicht-Weggeben-Können. Deswegen, wie vorhin dargelegt, beruht auch die Menschenfeindlichkeit der Hartz-IV-Gesetze und ihres Exekutierens auf einer totalen Fiskalisierung der Menschenbeziehung bzw. auf einer Art Monetarisierung der Menschenfeindlichkeit. Der Austausch von Begriffen wie „Hilfebedürftige“, „Arme“, „Arbeitslose“ – alles Begriffe, in denen der notleidende Mensch noch anwesend ist – gegen Begriffe wie „Kunden“, „Leistungsbezieher“ oder „Massentransfernehmer“ (so Sloterdijk in dem Aufsatz, aus dem bereits zitiert worden ist), gegen Bezeichnungen also, aus denen die Menschennot entfernt worden ist und nur noch das Ansprüchehaben und Geldnehmen zu Worte kommt, signalisiert das aufs deutlichste. Aus Menschenbeziehung macht dieser Begriffeaustausch ein bloßes Geldverhältnis. „Elend“ gibt es in dieser Sprache nicht mehr, nur noch ein Wegnehmenwollen. Kein Zufall daher, daß eben dieser Sloterdijk unser Gemeinwesen als „Staatskleptokratie“ bezeichnet hat, als Herrschaft des Klauens, und zwar lediglich deshalb, weil der Staat Steuern einnimmt und sie unter anderem für soziale Zwecke verwendet; kein Zufall auch, daß eben dieser Sloterdijk gegen diese Geldwegnehmerei zum „fiskalischen Bürgerkrieg“ aufgerufen hat.

Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

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