Die Nutzung des iPad im Schulalltag sollte nicht nur auf den Ersatz von Schulbüchern beschränkt werden. Die Möglichkeiten des iPad bieten viel mehr!
Interessant wird der Nutzen des iPad erst dann, wenn nicht einfach der Inhalt der Schulbücher kopiert, sondern wenn dieser Inhalt auch neu aufbereitet wird.
Als gutes Beispiel sei hier das Buch „Life on Earth“ des amerikanischen Insektenforschers und Biologen Edward O. Wilson genannt (eine Vorschau des Buches ist im iBooks-Store kostenlos erhältlich; der Gesamtpreis beträgt sogar nur 1,99 EUR). An diesem Buch werden die fantastischen Möglichkeiten von digitalen Büchern sehr deutlich, die ich persönlich während meiner Schulzeit sehr vermisst habe - weil diese Möglichkeiten mit Hilfe von Printmedien ganz einfach nicht umgesetzt werden können.
Der wichtigste Vorteil der digitalen Bücher wird am o.g. Beispiel schnell deutlich: Bücher werden interaktiv! Die Zeit der langen Texte, öden Zeichnungen und winzigen Bildchen ist vorbei. Stattdessen erstrahlen Bücher mit ganzen Fotoalben, deren Einzelbilder entweder auf der Buchseite selbst, oder sogar im Vollbildmodus angezeigt und vergrößert werden können. Komplexe Sachverhalte können durch Videos untermauert werden, die direkt in das Buch integriert werden. Interaktive 3D-Grafiken helfen dabei, den Unterrichtsinhalt zu erleben und so besser zu begreifen. Und dabei sind diese Grafiken nicht auf oftmals langweilige Diagramme o.ä. beschränkt, sondern verbinden Bild, Video und Ton so, dass ganze Unterrichtsinhalte schrittweise dargestellt werden, wie beispielsweise die schrittweise Entwicklung von Insekten. All diese Dinge können passend zum Text an richtiger Stelle eingefügt und daher gezielt eingesetzt werden.
Ohne Frage hat auch das iPad Grenzen. Diese werden jedem deutlich, der sein iPad ein paar Tage in der Schule nutzt. Aufgaben im Mathematikunterricht, in Physik, Chemie usw. sind per Hand immer noch viel einfacher und schneller zu bearbeiten, als auf dem iPad. Dieses Problem kennt jeder Schüler aber auch schon vom PC (Microsoft Office, etc.), wo jede einzugebende Formel per umständlichem Formeleditor zur Tortur wird. In Unterrichtsfächern, in denen häufig komplexe Formeln und Matrizen gebraucht werden, ist das iPad also in der Aufzeichnung dieser Daten ebenso wenig hilfreich, wie jeder herkömmliche Desktop-Computer. Der Nutzen des iPad liegt im Fach Mathematik (u.ä.) jedoch weniger in der Aufzeichnung der Daten, als vielmehr in der grafischen Darstellung einzelner Probleme.
Im Folgenden seien nur ein paar wenige Beispiele genannt: Die kostenlose App „f(x) Math“ von Euclidus bereitet beispielsweise den Lösungsweg von Gleichungen grafisch auf und zeigt schrittweise den richtigen Lösungsweg einzelner Aufgaben. Die App ist hierbei nicht auf simple Addition und Subtraktion beschränkt, sondern kann beispielsweise auch trigonometrische Funktionen und sogar Integrale lösen. Ein Upgrade auf die Premiumversion (7,99 EUR) ermöglicht sogar die Eingabe eigener Aufgaben und ermöglicht dem Schüler somit die Überprüfung seiner Lösung, oder zeigt, wo er noch Fehler macht. Auf diese Selbsthilfe ist man als Schüler - wie ich aus eigener Erfahrung leider oft genug feststellen musste - in Zeiten, wo 30 Schüler von nur einer Lehrkraft unterrichtet werden, leider sehr oft angewiesen - und dabei helfen solch anspruchsvolle Apps dabei, den richtigen Lösungsweg zu finden.
Die App „Scientific Graphing Calculator“ von William Jockusch (1,59 EUR) errechnet sowohl die Lösung von Aufgaben, erstellt zusätzlich aber auch Funktionsgraphen und fügt diese in ein Koordinatensystem ein. Es ist auch möglich, mehrere Graphen auf einer Arbeitsfläche darzustellen und diese somit zu vergleichen. Das Problem von zu wenig Platz, um Koordinatensysteme in geeignetem Maßstab im DIN A4-Heft darzustellen, gehört hiermit der Vergangenheit an: Es ist sowohl möglich, den Graphen in seiner Gesamtheit zu betrachten, als auch (durch einfaches Auf- und Zuziehen mit zwei Fingern) in bestimmte Bereiche des Graphen hinein zu zoomen, um sich beispielsweise Wendepunkte genauer anzusehen. Die eingeschränkte kostenlose Version der App „Free Graphing Calculator“ sollte für den Schulgebrauch sogar ausreichen.
Am Beispiel Mathematik wird sehr schnell deutlich, dass das iPad die „analoge Schule“ (noch) nicht vollständig ersetzen kann, wenn es darum geht, eine komplexe Aufgabe zu lösen - aber das sollte auch nicht das Ziel sein. Das iPad sollte vielmehr dabei unterstützen, die Lösung der Aufgabe zu finden, indem Aufgaben grafisch dargestellt und Lösungswege schrittweise grafisch aufgezeigt werden. Im Gegensatz zu den “Hieroglyphen in alten Mathematikbüchern“ sind diese Darstellungen einfach zu verstehen und daher verständlich für jeden Schüler.
Wenn wir nun noch einen Schritt weiter gehen wollen: Wie wäre es, derartige Apps in unsere „neuen Schulbücher“ zu integrieren? Wenn der Schüler bei einer Aufgabe nicht weiter weiß, erhält er interaktive Tipps, die ihn durch Hinweise zur richtigen Lösung führen, indem beispielsweise der Funktionsgraphe oder wichtige Rechenregeln anzeigt werden, die zur Lösung der Aufgabe nötig sind. Und wie wäre es, wenn der Schüler diejenigen Hilfestellungen, die ihm zu Lösung der Aufgabe gefehlt hatten (z.B. wichtige Formeln), direkt mit einem Klick markieren würde; und wenn diese Markierungen bei Bedarf zu passenden Übungsaufgaben führen, die der Schüler zu Hause wiederholen kann, um den fehlenden Stoff gezielt nachzuarbeiten? Wie Sie sehen, sind die Möglichkeiten eines „Schulbuch 2.0“ längst noch nicht ausgeschöpft!
Wie Ihnen vielleicht auch schon aufgefallen ist, sind alle hier beschriebenen Apps und Bücher noch immer nur in englischer Sprache erhältlich . Hier müssen deutsche Verlage endlich umdenken und ihr Angebot nachrüsten. Ein erster Ansatzpunkt ist eine eigene App als Alternative zu iBooks, die einige Verlage planen, wobei fraglich ist, inwieweit diese Bücher derart interaktiv gestaltet sind, wie die iBooks-Beispiele (genaueres ist unter http://www.maclife.de/iphone-ipod/ipad/deutsche-schulbuchverlage-kuendigen-alternative-zu-ibooks nachzulesen). All die Mühe der verschiedenen Anbieter, in unterschiedliche Buchformate zu investieren, bringt jedoch wieder einmal das Problem mit sich, das die Medien nicht plattformübergreifend kompatibel sind - Amazon-Bücher laufen nur auf dem Kindle, iBooks-Bücher nur auf dem iPad. Sinnvoll ist daher nur ein einheitlicher Standard, der auf jedem Gerät funktioniert. Das größte Problem hierbei wird sein, dass andere Geräte technisch noch nicht mit dem iPad mithalten können. Der berührungsempfindliche Bildschirm des iPad ist noch immer ungeschlagener Spitzenreiter unter den Touchscreen-Geräten. Da dies natürlich nur meine subjektive Meinung ist (,da ich tatsächlich kein besseres Gerät finden konnte), sollte zumindest an der Möglichkeit festgehalten werden, neue Schulbücher nicht allein auf iPad, iPhone und iPod zu verbannen. Eine Monopolstellung von Apple kann gerade in Sachen Bildung niemand gebrauchen und verlangt daher auch ein Umdenken des Unternehmens in Cupertino, zumindest sein Bildungsangebot frei (d.h. plattformunabhängig) zur Verfügung zu stellen, indem Standards verwendet und akzeptiert werden. Offensichtlich ist aber auch, dass andere Anbieter zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit dem Angebot von Apple mithalten können.
Beispielsweise gibt es noch den Dienst „iTunes U“, mit dessen Hilfe Schulen und Universitäten Lerninhalte unter ihren Schülern und Studenten verbreiten können; beispielsweise Vorlesungen und zum Thema passende Arbeitsmaterialien.
Meiner Meinung nach ist auch der, im Vergleich mit vergleichbaren Geräten, recht hohe Preis des iPad gerechtfertigt. Bei mir hat das iPad den Computer nahezu vollständig ersetzt. Texte, Briefe und Co werden mit der Apple eigenen App „Pages“ (7,99 EUR) erstellt, Tabellen entweder ebenfalls mit Pages, bei komplexeren Dingen (d.h. Wenn-Dann-Formeln etc.) mit Apple's „Numbers“ (7,99 EUR). Präsentationen erstelle ich mit „Keynote“ (7,99 EUR) und erziele hiermit einfacher und schneller ein besseres Ergebnis, als ich jemals mit anderen Programmen erreichen konnte. Man erhält also ein komplettes Software-Paket für unter 25 Euro, welches sich gegenüber seiner „großen Geschwistern“ keinesfalls schämen muss: Alle wichtigen Funktionen werden voll abgedeckt. Ein weiteres Highlight des iPad ist die einfache Verbindung bei Präsentationen mit dem Beamer: Ich benötige lediglich einen Zusatzadapter (29 EUR), der das Ausgangssignal des iPad in das Eingangssignal des Beamers umwandelt. Somit entfällt die kostenintensive Wartung der Schul-Notebooks, die meistens ohnehin entweder garnicht funktionieren, oder nicht mit den aktuellen Office-Formaten kompatibel sind. Es sind keine Einstellungen nötig, es gibt keine „auf externem Monitor anzeigen“-Quälerei, die dann aus irgendwelchen Gründen doch nicht funktioniert, sondern lediglich das Einstecken eines einzigen Adapters. Aufgabe der Schulen wäre es hierbei, diese Zusatzadapter bei Schülervorträgen zur Verfügung zu stellen. Ebenso ist eine Remote-Fernbedienung (19 EUR) hilfreich, damit der Referent sich während der Präsentation frei im Raum bewegen kann. Für die „Generation iPod“ ist vielleicht wichtig zu wissen, dass diese Remote-Funktion auch durch jeden iPod touch übernommen werden kann.
Eine weitere wichtige Aufgabe ist das Empfangen und Senden von E-Mails, welche standardmäßig mit Hilfe der App „Mail“ in jedem iPad erledigt wird. In Mails angezeigte Termine können mit einem Klick in den iPad-internen Kalender eingefügt werden (z.B. Hausaufgaben, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein sollen). Bilder und andere Dokumente (pdf; Word-, Excel- und Powerpoint-Dateien; Pages, Numbers, Keynote; u.v.m.) können ganz einfach aus Mails in andere Apps kopiert werden, in denen diese dann bearbeitet werden können. Für mich war beispielsweise die App „Good Reader“ von Good.iWare Ltd. (3,99 EUR) sehr nützlich, da man hiermit die Möglichkeit hat, in Dokumenten Notizen hinzuzufügen oder wichtige Textstellen zu markieren - Dies funktioniert sogar bei Unterrichtsmaterial, die im Original nur als Kopie auf Papier verfügbar sind, indem man diese ganz einfach scannt oder fotografiert. Viele aktuelle Drucker und Scanner können heute sogar schon drahtlos mit dem iPad verbunden werden, sodass der Umweg über den PC gänzlich entfällt.
Ebenso ersetzt das iPad den PC in Sachen Internet. Wie Steve Jobs bei der Präsentation der ersten Generation des iPad warb, befindet sich tatsächlich das Internet „in your hands.“ Ob Online-Banking, RP-Online, Facebook, Skype, Ebay, Amzon, Wikipedia, Youtube oder Google: Mit einem Klick ist das iPad einsatzbereit, mit wenigen weiteren „Touches“ die aktuellen Statusmeldungen unserer Facebook-Freunde gelesen werden. Diese Dinge sind in der Schule natürlich völlig fehl am Platz, zeigen jedoch auch, dass das iPad nicht nach der Schulzeit nutzlos wird, sondern in vielen Bereichen weiter verwendet werden kann. Kritiker, die der Meinung sind, diese Funktionen lenken stark vom Lernen ab kann ich beruhigen, da jeder einigermaßen verantwortungsvolle Schüler durchaus zwischen Schule und Freizeit unterscheiden kann. Und wenn wir mal ehrlich sind: Das Problem der Ablenkung entsteht ohnehin erst dann, wenn Unterricht langweilig präsentiert und einfallslos vorgetragen wird. Früher spielten wir Skat oder strickten Schals im Unterricht, heute liegt die Beschäftigung eben in anderen Bereichen, wie Smartphones und Co. Und jeder weiß aus eigener Erfahrung: Ein engagierter Lehrer, der nicht lustlos in ausgewaschenem Rollkragen-Pullover vor seiner Klasse steht und wahllos Aufgaben zur Bearbeitung in den Raum wirft, wird ernst genommen, ihm wird zugehört und es wird mit Spaß mitgearbeitet!
Natürlich gibt es wohl noch etliche Möglichkeiten und Vorteile zum Thema „iPad im Unterricht“, die ich hier nicht genannt habe. Wir dürfen bei all diesen Vorteilen jedoch nicht vergessen, dass die Anschaffung dieser Geräte nicht für jede Familie möglich ist. Solange hier kein fairer Weg gefunden wird, sehe ich eine Umstrukturierung der Schulen unmöglich. Zu Beachten ist hierbei jedoch auch, dass das iPad den Heimcomputer tatsächlich ersetzen kann und daher nicht beide Geräte zwingend notwendig sind. Ich persönlich würde mich aufgrund der flexiblen Einsatzweise von Tablet-Computern tatsächlich eher für diesen entscheiden und nicht für Desktop-PC oder Notebook. Wenn die Hürde der Finanzierung genommen ist und wenn dann auch Lehrer/innen sich für eine Wandlung der Schule begeistern können - d.h. auch selbst Projekte, wie eigene eBooks und Videos erstellen - sehe ich im iPad eine Möglichkeit, den Schulalltag um einiges interessanter zu gestalten. Unterrichtsinhalte werden endlich greifbar!
Auch ausfallende Stunden können mit Aufgabenstellungen des Lehrers, die dieser per Mail verschicken kann, selbstständig überbrückt werden; Lehrer haben die Möglichkeit, Dokumente und andere Unterrichtsinhalte allen Schülern bereit zu stellen.
Es gilt also abzuwarten, welche Ideen die Schulbuchverlage in Deutschland tatsächlich umsetzen und vor allem, ob die Inhalte dieser Bücher tatsächlich einen erheblichen Fortschritt darstellen - oder lediglich Kopien der Printmedien sind!? Die Programmierung von 3D-Grafiken u.ä. kann wohl nicht von jedem Lehrer verlangt werden und daher wird eine Wandlung der Schule nur in enger Zusammenarbeit mit den Verlagen möglich sein. Wenn die Umsetzung stimmt, werden wohl auch Preise, die mit denen der Printversionen vergleichbar sind, akzeptabel werden. Ein weiterer Schritt wäre dann vielleicht noch eine Art „Schul-Lizenz“, d.h. ein Festpreis, der von Schulen jährlich gezahlt wird und mit dem es allen Schülern dieser Schule möglich ist, die benötigten Bücher kostenfrei zu laden. Bis dahin ist es wohl noch ein langer Weg, aber hoffen darf man ja wohl noch...
Wichtig ist es daher zuerst einmal, das Interesse, an einer vernünftigen Umsetzung seitens der Verlage, zu zeigen und da helfen Pilotprojekte, wie in dem Beitrag über mir beschrieben, wohl am allermeisten!!!
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