Schon 1990 warnte Jean Baudrillard vor einer "Transparenz des Bösen", durch die der Mensch "seinen Schatten verloren hat: Er ist für das Licht, das ihn durchläuft, transparent geworden, er wird von allen Seiten erhellt, durch alle Lichtquellen gnadenlos überbelichtet".[9] Diese blumige Sprache lässt fast vergessen, dass Baudrillard genau wie Han nicht über Röntgengeräte, sondern über gesellschaftliche Transparenz schrieb. Obwohl beide Autoren die Sprache der Radiologie verwendeten, schienen sie deren eigentliche Logik zu verkennen. Ein Blick in die frühen Schriften der Röntgenwissenschaft vermag jedoch die scheinbare Evidenz einer absoluten Durchleuchtung infrage zu stellen und zeigt, dass Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit untrennbar miteinander verknüpft sind, sich sogar gegenseitig bedingen: Weder die Durchleuchtung durch die Röntgenstrahlung noch ihr metaphorischer Doppelgänger, die Transparenz, können wirklich absolut sein. Möglicherweise bewegt uns der Blick in die frühe Radiologie gar dazu, die gegenwärtigen Diskurse über Transparenz neu und jenseits von Kontroll-Superlativen zu bewerten.
Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.
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