Historisch relevanter als der prozentuale Anteil ehemaliger NS-Angehöriger – oder auch die skandalträchtige Rekonstruktion einzelner Biografien – ist die Frage, ob wir es mit einer Gruppe von Sozialexperten, Verwaltungsfachleuten und Beamten zu tun haben, die durch gemeinsame professionelle Sozialisationen und politische Erfahrungen geprägt wurden, die von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus bis in die Nachkriegszeit reichen. Hier sind gruppen- beziehungsweise kollektivbiografische Forschungen erforderlich, die nicht nur einfach NS-Belastungen konstatieren, sondern übergreifende Karrieremuster, gemeinsame Erfahrungen und sozialpolitischer Leitbilder rekonstruieren. Schließlich geht es darum, die langfristigen Prägungen deutscher Sozialstaatlichkeit durch den Nationalsozialismus zu bestimmen. Inwiefern kann in der Sozialpolitik von einem „langen Dritten Reich“ gesprochen werden, dessen Leitbilder weit über die Zeit von 1933 bis 1945 hinaus Wirkung entfalteten? Es muss sich erst noch herausstellen, ob „Hitlers Volksstaat“, wie Götz Aly behauptet hat, die „Soziale Marktwirtschaft“ der Bundesrepublik tatsächlich stärker geprägt hat als bisher angenommen.
Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.
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