Mittwoch, 18. Juli 2012

Steffen Roski: Bertelsmann-Einflüsse

Rezension des Buchs "Bertelsmannrepublik Deutschland. Eine Stiftung macht Politik" von Thomas Schuler, erschienen 2010 bei Campus (304 Seiten, Ln., 24,90 €, ISBN 978-3-593-39097-0)

Der Münchener Journalist Thomas Schuler hat sich seit Jahren mit Bertelsmann, dem Medien- und Dienstleistungskonzern, sowie der Eigentümerfamilie Mohn beschäftigt. Dass er dabei auf die Bertelsmann Stiftung gestoßen ist, nimmt nicht Wunder, hält sie doch mehr als Dreiviertel des Kapitals der Bertelsmann AG, einem der weltweit führenden Player auf den Gebieten Medien, Logistik und Informationswirtschaft.

Ausgehend von den Ideen des am 3. Oktober 2009 verstorbenen Unternehmenspatriarchen Reinhard Mohn gelangt Schuler zu der These, dass es Mohn darum gegangen sei, Deutschland analog den Prinzipien der Bertelsmann AG zu modellieren: "Ein Land, geprägt von den Ideen hinsichtlich der Führung, die sein Unternehmen erfolgreich machten, und von jenen Ideen, die die Stiftung im Ausland entdeckt und importiert. Beides zusammen soll eine Bertelsmannrepublik Deutschland ergeben." (S. 22)

Schuler zeigt im Einzelnen den Einfluss der Stiftung auf Bundespräsidenten, KanzlerInnen und Ministerien in Bund und Ländern. Anschaulich schildert er z.B., wie es dem mit den Mohns aufs Engste verbundenen damaligen Stiftungs-Vorstand Professor Werner Weidenfeld 1994 gelang, einen am stiftungsfinanzierten Münchener Centrum für angewandte Politikforschung arbeitenden engen Mitarbeiter in den "Inner Circle" des Bundespräsidialamtes zu platzieren, dessen Hauptaufgabe nicht etwa im Erarbeiten einer wissenschaftlichen Studie bestand, sondern vielmehr darin, die Doktrin der Stiftung in der von Bertelsmann, Springer und Co. medial geschickt inszenierten "Ruck-Rede" Roman Herzogs einfließen zu lassen. Auf solcher staatspolitisch-legitimatorischen Basis gelingt es der Bertelsmann Stiftung immer wieder, ihre Vorstellungen gegenüber Politik und Verwaltung auf vielerlei Gebieten geltend zu machen und durchzusetzen. Schuler zeigt dies an folgenden Beispielen auf: Ordnung des Rundfunks, Arbeitsmarktpolitik ("Hartz IV"), Hochschulpolitik, Privatisierungen öffentlichen Eigentums, Gesundheitswesen, Europapolitik sowie Gesetzgebung zur "Reform" des Stiftungsrechts. Dass dabei die Stiftung über Themen nachdenkt, die, wie Schuler Firmenmatriarchin Liz Mohn zitiert, "unabhängig davon auch Geschäftsfelder der Bertelsmann AG betreffen" (S. 185), liegt dabei auf der Hand.

Stark ist SChuler vor allem dort, wo sein journalistisch geschulter Blick den Habitus von MitarbeiterInnen der Bertelsmann Stiftung hervortreten lässt. Deren Zusammenspiel mit willfährigen, machtbewussten und medienerprobten PolitikerInnen ergeben schmuddelig-korruptive Rollenspiele, über die man lächeln könnte, wenn nicht an ihnen das Lebensschicksal von Millionen Menschen hinge. Beispielhaft seien hier Stefan Emptner und Frank Frick erwähnt, die die Hartz-Debatte im Sinne der Bertelsmann Stiftung steuerten: "Emptner agierte unauffällig und mit seinem Schneuzer wirkte er wie ein Beamter. ... Frick dagegen gilt als Aufschneider. ... Erfolgreich ist die Kombination, mit der sie Gesprächspartner in Ämtern, Ministerien und Medien für sich und ihre Ideen gewinnen ..." (S. 177)

Stark ist Schuler auch, wenn er die Stiftung als das demaskiert, was sie ist: Ein öffentlich subventioniertes "Steuersparmodell" einer superreichen Familie und eines milliardenschweren Konzerns, die diesem durch ihre vielfältigen Aktivitäten und Kontakte Geschäftsfelder erschließen lässt. (Kapitel 10)

Bleibt abschließend auf ein Manko aufmerksam zu machen. Wie ein roter Faden zieht sich ein Argumentationsstrang durch das das Buch, den ich am folgenden Beispiel illustrieren möchte: "Ein wichtiges Thema der Stiftung ist es, die Effizienz der Verwaltungen zu messen. Eigentlich eine gute Sache, die Vergleiche sollen Verwaltungen bürgerfreundlicher machen." (S. 176) Ja, "eigentlich", "eigentlich" wäre dann ja auch die Bertelsmann Stiftung eine gute Sache, wäre sie nur ein wenig transparenter und demokratischer. Und genau hier beschleichen mich eigentlich Zweifel.

Die Rezension ist erschienen in der Zeitschrift des BdWi "Forum Wissenschaft" (Heft Nr. 4, Dezember 2010, 27. Jahrgang, S. 55)



Mein Blog befasst sich in einem umfassenden Sinn mit dem Verhältnis von Wissen, Wissenschaft und Gesellschaft. Ein besonderes Augenmerk richte ich dabei auf die Aktivitäten des Medien- und Dienstleistungskonzern Bertelsmann und der Bertelsmann Stiftung.

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